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Krieg – Herausforderung der Evolution seit dem Neolithikum

Krieg gibt es erst, seit Menschen Territorien erobern und Vorräte anlegen können. Erst seit dem Neolithikum wurde damit Krieg als längerer Kampfeinsatz organisierbar. Seit dieser Zeit muss der Homo sapiens mit der Gefahr der eigenen Vernichtung umgehen. Das hat er bisher nicht geschafft. Die Evolution hat noch einiges vor sich.

Wir Leben auf den Schultern der ersten Bauern. Wir empfinden diesen Lebensstil als vorteilhafter im Vergleich zu den Jägern und Sammlerinnen, die Millionen Jahre gar keinen Krieg organisieren konnten. Diese überlebten nur in kleinen Gruppen und hatten kein festes Territorium. Etwa 10.000 v.Chr. begann in der heutigen Türkei und im Irak der Anbau von Getreide, das aus Grassamen gezüchtet wurde. Ebenso begann der Mensch, Haustiere zu halten. Wenn man nicht mehr als Jäger den Wildtieren nachfolgen musste, konnte man Vorräte anlegen. Damit war erst Krieg möglich und fand auch statt. Es wurden Knochen von vielen Menschen gefunden, die erschlagen worden sind. Schon damals wurden Kriege nicht allein durch die Kampftruppen entschieden, sondern durch die Logistik. Denn ein länger dauernder Krieg erfordert die Versorgung der Truppen.

Die Kriege schienen sich über Jahrtausende zu lohnen

Es waren eigentlich erst einmal nur Fortschritte, die in der Neusteinzeit entwickelt wurden, Getreide zu züchten und anzubauen, Vieh zu domestizieren und damit größere Siedlungen zu unterhalten, in denen sich eine Schriftkultur und damit der ersten Hochkulturen in Ägypten, in Mesopotamien, in Indien und China wie auch in Mittel- und Südamerika zu entwickeln. Die Reiche der Assyrer und Ägypter, die Einigung der chinesischen Fürstentümer, die Azteken, die Inkas und nicht zuletzt das Römische Reich wurden durch Kriege errichtet. In Osteuropa war es dann die über 300 Jahre die Herrschaft der Mongolischen Reiterheere, das größte Reich, das es bisher gegeben hat. Der Krieg gehört bis heute dazu. Warum wundern wir uns, dass Russland dieses Mittel benutzt, um sich zu vergrößern bzw. in seinen Augen verlorenes Territorium zurückzugewinnen. Die Welt ist weiterhin auf Krieg eingestellt. Die Regierung hat 100 Milliarden für Waffen bereitgestellt.

Der Krieg, tatsächlich der Vater aller Dinge?

Dieser Spruch des griechischen Philosophen Heraklit scheint zuzutreffen. Kriege haben jeweils Neues ermöglicht, zumindest wurden oft bisherige Herrschaften abgelöst. Manche eroberten Gebiete entwickelten sich unter der neuen Herrschaft, so wie Schlesien, das Preußen den Habsburgern abgenommen und entwickelt hat. Derjenige, der das in die Wege leitete, erhielt den Beinamen „Der Große“. So wie der Preußenkönig Friedrich wurden viele erfolgreiche Heerführer durch ihre Siege zu Großen. Das lernte ich schon mit 10 Jahren. Mein Großvater, der im Ersten Weltkrieg verwundet wurde, zählte mir die großen Heerführer auf. Caesar und Napoleon waren darunter. Krieg gehört in vielen Regionen noch zu den Erfahrungen, die Männer gemacht haben müssen. Mit welchem Enthusiasmus sind deutsche junge Männer in den Ersten Weltkrieg gezogen und der Zweite wäre ohne die Motivation der Jungen in seinen ersten zwei Jahren nicht so erfolgreich gewesen. Inzwischen können die Deutschen dem Nimbus von Schlachten nichts mehr abgewinnen. Dafür brauchte es aber zwei empfindliche Niederlagen.
Für die Ukrainer beruhigend ist die Beobachtung, dass die jungen Männer in Russland wie in Weißrussland nicht in den Krieg ziehen wollen. Die russischen Streitkräfte rekrutieren sich nicht aus Wehrpflichtigen und der Krieg darf nicht „Krieg“ genannt werden. Es ist faktisch eine Söldnertruppe, die aus den Randgebieten, wo der militärische Sold die beste Verdienstmöglichkeit bietet, rekrutiert wird. Trotz dieser fehlenden Kriegsbegeisterung müssen wir uns klar sein, dass wir in einer Zivilisation eben, in der Krieg immer noch eine Selbstverständlichkeit ist. Die USA sind das beste Beispiel. Sie erobern zwar nicht wie Russland Gebiete, greifen aber da ein, wo ihre Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen beeinträchtig werden. Wie Russland in der Ukraine setzen sie immer wieder ihr Militär ein, um die politische Elite in ihrem Sinne auszuwechseln.

Kriege sind nur noch militärisch zu gewinnen

Die USA zeigt, dass die Kriege zwar mit Waffen gewonnen werden können, aber das Kriegsziel nicht erreicht wird, ob in Nordkorea, Vietnam, Afghanistan, im Irak. Die Militäreinsätze der Franzosen in Afrika erreichen ebenfalls ihr eigentliches Ziel nicht. Hinzu kommt, dass die Großmächte immer wieder Stellvertreterkriege inszenieren. Hinzu kommt der Konfessionskrieg zwischen den persischen Schiiten und den saudischen Sunniten. Richard Ned Lebow, der in London lehrt und alle Kriege seit 1648 untersucht hat, stellt fest, dass kein Krieg, der nach 1945 geführt wurde, das eigentliche Kriegsziel erreicht hat, auch wenn er militärisch gewonnen wurde. Es war wohl die größte Fehleinschätzung der russischen Führung, dass die Ukrainer eine Annektion durch Moskau hinnehmen würden.

Der Homo sapiens ist am meisten durch sich selbst bedroht

Schon die Konfessionskriege in Europa zeigten, dass Kriege ruinös sind. Denn ein Drittel der Bevölkerung kam im Dreißigjährigen Krieg als Söldner oder durch die Kriegsfolgen um. Der Erste Weltkrieg wurde in den Kämpfen um Verdun weitergeführt, obwohl keine der Kriegsparteien die militärische Kraft hatte, den Krieg durch einen Sieg zu beenden. Ähnlich ist der Ukrainekrieg zu beurteilen. Trotzdem hört der Mensch nicht auf, einen Krieg zu beginnen. Rüstung ist das, was nicht nur der deutschen Regierung als Verhinderung eines nächsten russischen Angriffs einfällt. Von den Friedensinstituten ist bisher keine überzeugende Konzeption formuliert worden, mit der nach Ende des Ukrainekrieges ein nächster Krieg verhindert werden kann. Die Atomwaffen mit ihrem hohen Vernichtungspotential scheinen das einzige Mittel zu sein, einen Angriff auf das eigene Land zu unterbinden. Persien und Nordkorea wählen diese Strategie. Aber es gibt keine Garantie, dass diese Waffen nicht zum Einsatz kommen. Gibt es keine Alternative?

Entwaffnung und auch Abwehrwaffen verhindern Kriege nicht

Eine Option hat sich durch den Angriff Russlands auf die Ukraine als nicht tauglich erwiesen. Die Ukraine, Belarus und Kasachstan hatten ihre Atomwaffen 1994 an Russland abgegeben. Im Budapester Memorandum garantieren Russland und die USA die Souveränität der drei Staaten. Aufrüstung und die weitere Entwicklung von Abwehrwaffen sind die Reaktion auf den Bruch des Völkerrechts durch die Russische Föderation. Sie rechnen mit einem nächsten Angriff und bieten daher nur eine gewisse Sicherheit, sich verteidigen zu können. Der Homo sapiens, im Besitz der Atombombe, braucht mehr als Waffen und Verträge, seiner eigenen Vernichtung zu entgehen.

Gewaltmonopol und das Modell Montanunion

Fehden zwischen Adeligen bestimmten lange das Mittelalter. Es wurden Burgen gebaut und Städte mit Mauern und Türmen gesichert. Das war zu Zeiten der römischen Herrschaft nicht notwendig. Man kann es an Schongau ablesen. Die Siedlung lag zu Zeiten der Römer im Tal, Altenstadt gibt es noch. Wegen der ständigen Fehden wurde eine neue Stadt auf einer Anhöhe über dem Lech gebaut und mit Mauern und Türmen befestigt.  Gegen die ständigen Fehden gab es die Initiative des Gottesfriedens, die zuerst zu kampffreien Tagen führte, u.a. galt für den Freitag, den Todestag Jesu, Waffenruhe. Überwunden wurden die ständigen Waffengänge jedoch erst, als der Staat das Gewaltmonopol durchsetzte. Duelle wurden trotz staatlichen Verbots bis ins 20. Jahrhundert ausgetragen. Die USA verstanden sich eine Zeitlang als diese Weltpolizei. Trotz vieler Fehlschläge fühlten sie sich immer wieder berufen, militärisch einzugreifen. Jede Atommacht kann diesen Eingriffen wirksam begegnen. Obwohl die USA 1994 die Verpflichtung übernommen haben, die Grenzen der Ukraine zu garantieren, konnten sie den russischen Angriff nicht unterbinden, sondern nur die Ukraine Waffen unterstützen. Eine haltbare Friedensordnung scheint nur den Europäern gelungen, die vorher mit zwei Kriegen nicht nur die USA in ihre Feindschaften hineingezogen hatten und Japan damit die Möglichkeit gaben, die USA anzugreifen. Die Die EU fußt als Wirtschaftsgemeinschaft auf der Montanunion. Diese unterstellte die für die Rüstung entscheidenden Industrien einer übernationalen Behörde, um so einen erneuten Rüstungswettlauf zu unterbinden.

Der Überblick kommt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass es keine neuen Ideen für eine Friedensordnung gibt und daher erhebliche Summen in die Rüstung fließen. Die Lösung in einem völligen Verzicht auf Waffen zu suchen, ist durch den russischen Angriff außer Kraft gesetzt. Aber Kriege mit Waffen verhindern zu wollen, ist noch weniger eine Lösung. Die Menschheit muss. Wir sollen uns anstrengen, möglichst alle Abläufe zu digitalisieren. Das werden wir hinbekommen. Allerdings werden wir hier auch mit der Kehrseite des Fortschritts konfrontiert, Datenschutz, Hackerangriffe, Online-Mobbing werden diese Fortschrittstechnik weiter begleiten. Die Fortschritte in Landwirtschaft und Organisation größerer Gruppen zu Staaten war ebenfalls Fortschritt und wird durch die Kriege seit ihrem Entstehen begleitet. Eine Friedensordnung aufzubauen, wird noch größere Anstrengungen abverlangen.

Vorhut einer Friedensordnung sollten die Religionen sein. Die Unterstützung des russischen Angriffs durch die Nationalkirche und der Konfessionskrieg zwischen dem schiitischen Persien und dem sunnitischen Saudi-Arabien zeigen, dass die Hochreligionen bisher nicht in der Lage waren, einen nennenswerten Beitrag zur Friedenssicherung zu leisten. Das erfordert einen eigenen Beitrag.

 

Richard Ned Lebow, Why Nations Fight
In diesem Buch hat Lebow alle Kriege seit 1648 untersucht.
Zusammengefasst finden sich seine Erkenntnisse in einem Interview in der Neunen Züricher Zeitung, auch über die fehlenden Erfolge, das eigentliche Kriegsziel umzusetzen: Warum Nationen Kriege führen  

Links:

Zur Montanunion als Friedensprojekt: Ukrainekrieg danach: Modell Montanunion

Was in Russland geschehen muss, damit es nicht zu einem Zweiten Ukrainekrieg kommen muss und

sich das nicht wiederholt, was Europa mit dem Zweiten Weltkrieg sich eingebrockt hat: Eiszeit mit

Russlandheißt erhöhte Kriegsgefahr


Kategorie: Verstehen

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