Eigentlich ist der Herbst doch eine Zeit, das Erarbeitete zu genießen. Wenn der Wein im Fass, das Korn gemahlen, das Obst gepflückt ist, dann nehmen wir aus dem Jahr etwas mit. Es ist die Zeit des Übergangs in den Winter. Solche Phasen müssen wir nicht jedes Jahr, aber doch mehrfach in unserem Leben durchstehen. Wenn ich in einer großen Arbeit stecken bleibe, wenn eine Krankheit mir alle Handlungsmöglichkeiten entwindet, ich eine Enttäuschung verkraften muss, durch eine Depression gehe, dann gibt es zum Durchhalten keine Alternative.
Kräfte für das Durchhalten
Wie vor einem großen Marsch muss ich mich auf Winterzeiten einstellen. Wenn ich in mir selber zu wenig Kraft gesammelt, nicht meine Seele im Durchhalten trainiert habe, bleibe ich auf der Strecke. Lange, reale Märsche mussten die Flüchtlinge zurücklegen; nach dem Krieg aus den vielen Siedlungsgebieten im Osten, aus der Bukowina, aus Galizien, aus der Slowakei, aus Schlesien und Osteuropa. Ähnlich weit sind die Wege aus den Kriegsgebieten im Nahen und Mittleren Osten. Länger ist noch der Weg der Integration, die Sprache beherrschen, die andere Kultur verstehen.
Wir alle sind auf dem Marsch
Was die Aufgabe von Flüchtlingen zu sein scheint, wird zur Herausforderung für uns alle. Wir haben uns eine Technik geschaffen, die unsere Lebensgrundlagen unterminiert. Ehrenwerte Berufe wie der des Schriftsetzers oder des Fotografen verschwinden. Wenn die Roboter mit künstlicher Intelligenz ausgestattet billiger zu bekommen sind als Lohnarbeiter, werden noch mehr Menschen aufbrechen müssen. Ihre Zukunft wird ähnlich unsicher sein wie die der Flüchtlinge.
Abschied von der Religion, wie sie bisher war
Dieser Herbst reicht noch tiefer. Die Gottesdienste greifen kaum noch, Gott scheint nicht mehr zugänglich, die Krisen überschlagen sich gerade bei der Katholischen Kirche, die lange so unverrückbar erschien. Was sich früher wie Granit anfühlte, zerbröselt einfach. Die Kohäsionskräfte lösen sich auf und mit ihnen die Fundamente, auf denen man früher hohe Kirchtürme aufrichten könnte. Ob Bildung, Religion, Kultur, deren Schätze halten eigentlich länger halten als die Geldbeträge auf den Bankkonten, scheinen in diesem Herbst sich zwar nicht aufzulösen, aber doch ihren Glanz zu verlieren. Die Touristen kommen unzufrieden zurück und wählen entsprechend.
Unter dem Wandel die alten Bilder und Erzählungen
Wer vor der Digitalisierung eine Ausbildung, ein Studium durchlaufen hat, musste sich auf die neuen Kommunikationswege einlassen. Bei all der Anstrengung wurde bisher kaum bemerkt, dass es mit der Umwandlung ins Digitale eigentlich nichts Neues zu bewundern gilt. Keine Mona Lisa, keine Zauberflöte, kein Versailles sind entstanden. Die Zahl der Bilder hat sich verhundertfach. Nur einige Filme, etwa Matrix, haben den Menschen im Szenario der digitalen Welt neu zum Thema gemacht. Die neue Kultur, die in ihren Konturen kaum erkennbar ist, wartet noch auf ihre Darstellung in den großen künstlerischen Entwürfen, so wie die Renaissance mit Michelangelo und Dürer uns den Menschen neu vorgestellt hat oder später der Barock und dann die Moderne.
Die Umprogrammierung gilt dem Geheimnis Mensch
Im Rückblick auf ähnliche Umbruchszeiten wird der Wandel durch das Ungenügen am Bisherigen eingeläutet. Was noch vor einigen Jahren anziehend wirkte, hat einen Grauschleier bekommen. Die Eintönigkeit der katholischen Liturgie zeigt es besonders deutlich und treibt die Menschen aus den Kirchen. Sie kommen in großer Zahl, wenn kein Gottesdienst stattfindet. Die neue Kultur, die sich andeutet, wird dann Gestalt gewinnen, wenn sie auf die alten Fragen neue Antworten gibt: Wer bin ich? Wie gebe ich meinem Leben Gestalt? Warum muss ich mich entwickeln? Wie werde ich mit dem Bösen fertig? Was bedeutet der Tod für mein Leben?
Wir werden die Antwort nicht einfach bei früheren Generationen finden. Deshalb müssen wir aufbrechen.
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