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Generation Y: Was ist die Grunderfahrung?

Die Generation Y, also diejenigen, die in den 80ern und frühen 90ern zur Welt kamen, wurden in einer Zeit groß, in der religiöse Lebensvollzüge und ideologische Kämpfe bereits passee waren. Sattdessen geht es um Performanz. Was heißt das für das alltägliche Leben heute?

Desillusion folgte auf vergangene Überzeugungskämpfe

Die Y-Generation ist eine Post-Generation. Sie ist in allem zu spät, denn man wurde ins Nachdem hineingeboren, nachdem als alles schon ausgekämpft und erprobt worden war. Post-ideologisch, post-religiös, post-feministisch und post-modern.Worum geht es?

„Ich weiß nicht, wen ich heirate. Ich weiß auch nicht, was ich eigentlich genau arbeiten möchte. Ich kann mir für mich alles oder nichts vorstellen, und eigentlich will ich es auch gar nicht so genau wissen. Mal will ich einen Bauernhof, mal eine Wannseevilla. Meine Berufswünsche pendeln zwischen Nobelpreisträgerin und Hausfrau und erfassen jede Nuance dazwischen.“ So schreibt Tabea Mussgnug im FAZ Artikel „Das Jetzt ist eine Wartehalle“ über ihr Buch „Nächstes Semester wird alles anders“.

Was ist die Leitwissenschaft dieser Generation?  Die Antwort liefert Mussgnug im selben Artikel: „In uns paart sich Unverbindlichkeit mit Fatalismus und einem Schuss abenteuerlustigem Tanz-am-Abgrund-Gefühl. Heraus kommen dabei entweder BWL-Studenten mit 60-Stunden-Praktika oder solche wie ich.“ BWL ist Pragmatismus als Studium. Was zählt sind nicht Inhalte oder Werte, nicht hohe Ideale oder Sinnfragen, sondern Zahlen. Schlichte „facts“, d. h. finanziell nutzbringende Ergebnisse. Die Leitfrage der Generation Y scheint zu lauten: „was nützt?“

Aber was, wenn man sich der finanzwirtschaftlichen Direktive nicht beugen will? Nun, die Kunstgeschichtsstudentin Mussgnug, die sich von den BWLern abgrenzt, wird in den Amazonrezensionen ihres Buches als linker Gutmensch, der mit der Realität nicht klarkomme kritisiert oder gelobt als mutige Geisteswissenschaftlerin. Die ihr vorgeworfene Larmoyanz muss nicht im Widerspruch zu ihren Idealen stehen. Denn es macht gerade diese Generation aus, dass sich beides nicht ausschließen muss. Wohlgemerkt, das „Tanz-im-Abgrund-Gefühl“, wird man nicht los, denn die Generation Y ist permanenter Desillusion ausgesetzt. Sie kann nicht mehr Halt in einem Gott finden, denn Religion gehört für sie der Vergangenheit an. Desillusionierte Träumer und Ex-Studenten, die im Zuge der 68er- Bewegung die Welt retten wollten, sind heute entweder mahnende Negativbeispiele, die die Kurve nicht gekriegt haben oder zur anderen Seite überliefen und fürs ehemalige „Schweinesystem“ arbeiten. Man tut halt, was man tun muss.

Wo sind die Visionen und Hoffnungsszenarien?

Viele Befreiungsbewegungen sind gescheitert – weder die sexuelle noch die feministische, die hedonistische, die kommunistische, die gegenderte, oder die humanistische „Revolutionen“ konnten die Gesellschaft wirklich befreien. Gewachsen sind hingegen Konkurrenzkämpfe und Individualismus.

Die Band „Herrenmagazin“, deren Mitglieder zur Generation Y gehören, besingt im Lied „In den dunkelsten Stunden“ unerlösten Existenzialismus als Grunderfahrung: „Und in den dunkelsten Stunden wirft der Schatten das Licht / Löscht das Feuer die Brände / Schweigt man sich aus über Dich / Spendet Streit seinen Trost / Führt Dich der Sturm in den Hafen / In den dunkelsten Stunden schlaflos erwachen“

Gibt es nur noch ein „irgendwie Klarkommen“? Vielleicht bleibt noch eine Romantik in Kunst und Kultur. Wird das Leben damit im Letzten das „absurd“ (Camus) gedeutet? Was aber noch aufzuscheinen scheint ist die Sehnsucht nach Selbstbestimmung, Freiheit, Reichtum und Glück – diese Sehnscheint scheint man aber nur durch eigene Leistung und Ermächtigung erreichen, in Konkurrenz gegen andere Mitwettbewerber. Aber gibt es noch etwas Gemeinsames,  etwas, das trägt und ein Ziel vorgibt?

„Wohin geht man denn dann? Wenn man wie ich keine Ahnung hat, weil man weder eine bevorstehende Hochzeit noch ein Wahnsinns-Jobangebot hat“, fragt Mussgnug am Ende ihres FAZ Artikels. Eine Antwort bleibt aus und sie schließt: „wenn das Telefon klingelt, geh ich nicht ran. Die letzte Woche war voller solcher Tage.“

 

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Kategorie: hinsehen.net Analysiert

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