Religion gibt es, weil wir die Frage nach dem Sinn des Ganzen auf unserem Lebensweg mitschleppen müssen. Den finden wir nur ansatzweise in der Physik und in der Biologie. Diese erklären uns immer besser, wie die Welt und die Lebensvorgänge funktionieren. Damit geben sie uns sogar Hinweise, wo wir Antworten suchen sollen. Aber die Antworten selbst lassen sich weder in physikalischen noch biologischen Begrifflichkeiten darstellen. Ähnlich bleibt das Leben nicht ergründbar. Die Physik musste im 20. Jahrhundert feststellen, dass sie nur die atomare Welt kennt, die Dunkle Materie und noch weniger die Dunkle Energie nicht greifbar sind. Die atomare Welt, das ist die nüchterne Erkenntnis, macht nur 5% des ganzen Kosmos aus. Theologie und auch Philosophie können nicht viel mehr von der religiösen Welt erkunden. Es bleibt nur die Ahnung, dass die großen unbekannten Bereiche, dass das ganze Weltall es gut mit uns meinen. Das zeigt deutlich: Religion gibt es nicht, weil Kirchen gut organisiert sind und das moderne Marketing einsetzen. Religion webt sich als Lebensorientierung, so wie die Atome in der Dunklen Materie entstanden sind. Die Atome, vergleichbar dem sichtbaren kirchlichen Leben, sind nicht im leeren Raum entstanden, sondern eingebettet in Dunkle Materie. So wie die Atome und dann die Galaxien zerstoben wären, würde Dunkle Materie sie nicht mit ihrer Schwerkraft zusammenhalten, zerfällt auch das katholische Leben immer mehr, wenn die Verbindung zu den Tiefenschichten der Religion nicht mehr zu spüren ist.
Wie das Geheimnis kann man die Dunkle Materie direkt nicht erfassen, sondern nur in ihren Wirkungen greifen. Das Bild aus der Physik ermöglicht damit einen weiteren Vergleich: Etwa 380 Millionen Jahren nach dem Urknall hatte sich das Weltall so weit ausgedehnt, dass Atome entstehen konnten. Jedoch wären die Fliehkräfte zu groß gewesen, als dass sich Galaxien nicht hätten bilden können. Die Dunkle Materie steuert die notwendige Schwerkraft bei, die unsere Welt zusammenhält. Übertragen auf die Kirche hat ein solcher Vergleich erhebliche Konsequenzen. Nicht die Kirchensteuer sichert die Zukunft der Kirche. Sie verführt Bischöfe und Generalvikare nur dazu, ihre Verwaltungen weiter zu perfektionieren und demnächst zur Behebung des Personalmangels Algorithmen programmieren zu lassen. Die für die Religion typischen Vollzüge können aber durch Verwaltungshandeln nicht "hergestellt" noch durch Computer erzeugt werden. Das gilt für andere Bereiche ebenso. Eine Regierung, die mehr Patente haben will, bekommt diese nicht, indem sie die Planstellen im Patentamt erhöht. In katholischen Bistümern ist das vergleichsweise mit folgendem Ergebnis gemacht worden. Inzwischen sind nämlich den Verwaltungen sogar die Gottesdienste zu teuer geworden. Im Patentamt hätten sich wegen der Vielen, die mitreden wollen, die Anerkennungsverfahren so in die Länge gezogen, dass immer weniger Anmeldungen bearbeitet werden könnten. So wie ein Amt keine Patente hervorbringt, kann eine Verwaltung nicht damit umgehen, wenn Menschen auf die Barmherzigkeit Gottes bauen und auf ein Leben nach dem Tod zugehen, wenn Missbrauch und Kriege die Schuld übergroß machen, wenn die Angst vor der Zukunft wächst. Wie die Dunkle Materie sind diese Dimensionen nicht greifbar, nur in ihren Auswirkungen auf unsere Empfindungen. Auch mit der Begrifflichkeit der Philosophie sind sie nicht "in den Griff" zu bekommen. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein hat das Unsagbare so zugeordnet: Die meisten Probleme entstehen durch Verwicklungen unseres Denkens, sie können entwirrt werden. Die Lösung eines wirklichen Problems zeige sich nur daran, dass es nicht mehr gespürt werde. Deutschland hat das durch den Ausbau seiner Bürokratien erreicht, alles mit sorgfältig arbeitenden Beamten. Auch in der Katholischen Kirche bewirkt das Geld nicht mehr Religiosität. Das ist wie anderswo, wenn nicht vielversprechende Projekte das Geld anziehen, sondern die vorhandene Geldmenge bestimmt, was möglich ist, die Fehlsteuerungen eingeschlossen. Das gilt auch für ARD und ZDF. Weder mit Organisation noch mit Geld lässt sich das Beunruhigende der Religion dämpfen, es geht auch nicht mit Ausklammerung. Auch mit den Predigten frühere Zeiten war es nicht möglich:
Der Katholizismus war bedrohlich
Die Prediger haben bis zum Konzil in den sechziger Jahren das Dunkle an den religiösen Tiefenebenen durch die Ausmalung der Höllenqualen und der vielen Möglichkeiten, vor Gott schuldig zu werden, thematisiert und damit das Glaubensbekenntnis verkürzt. Dieses spricht zwar von einem Abstieg des hingerichteten Erlösers in die Hölle, endet aber nicht damit, sondern geht den Lebensweg Jesu weiter, der die im Unten gefesselten Adam und Eva in die himmlische Sphäre befreit. Hier wird dann eine bis heute nachwirkende Verkürzung der christlichen Botschaft deutlich, warum Prediger heute Abstand von der Dunklen Materie des Religiösen halten. Es sind die Erinnerung an angstmachende Predigten und einer zu wenig an der Barmherzigkeit orientierte Beichtpraxis. Zum anderen verlangt die Moderne die Konzentration auf das Empirische.
Die Moderne hat das Überraschende an der Religion weggeschnitten
Auch was auf den Feldern des Religiösen an Nicht-Bedrohlichem wuchs, wurde von der Moderne weggemäht, wie der Rasenmäher auch keine Margeriten, Orchideen und Mohnblüten mehr aufblühen lässt. Auch wenn Samen von diesen in einer Graslandschaft landen, sie können dort nicht wachsen und Blüten ausbilden. So sind Wunder, Erscheinungen, Auferstehung und auch Gebetserhörungen ausgegliedert worden. Glücklicherweise ist die strenge Moderne abgeflaut. Die Moderne hatte versprochen, mit dem Zuwachs des wissenschaftlich Erforschten das Geheimnisvolle zurückdrängen zu können. Diese Wissenschaft hat jedoch gezeigt, dass die Wissenschaft für ihren Erkenntnisdrang nur Methoden aus dem atomaren Anteil des Kosmos zur Verfügung hat. Da sie die atomare Welt bis jetzt nur mit Instrumenten aus Atomen untersucht, kommt sie damit nicht der Dunklen Materie näher. Denn sie kann nur die Einwirkung der Dunklen Materie an der atomaren Gebilde ablesen, mit den gleichen Instrumenten aber nicht die Dunkle Materie erreichen. Eine vergleichbare Erkenntnis gibt es auch bei Theologen. Wie die Physiker immer noch an Instrumenten aus Materie gebunden sind, so die Theologen an die Sprache. Nur was sagbar ist, kann sie erkennen. Am Ende ihrer Schaffenskraft stellten viele Theologen fest, dass das, was sie von Gott wissen, im Verhältnis der viel kleinere Teil von dem ist, was von Gott zu wissen wäre. Sokrates sah die Weisheit im Bewusstsein begründet, dass wir fast nichts wissen. Je mehr Wissen, desto größer wird die Erkenntnis, wie wenig wir wissen.
Die veraltete Modernität der Katholischen Kirche
Im Folgenden wird an einigen Beispielen gezeigt, wie „modern“ die Katholische Kirche immer noch ist, indem sie nämlich ihre Fühler nicht in die Tiefschichten ausstreckt. Dabei erlaubt es die Postmoderne wieder, sich an einigen Stellen unserer Existenz, vom Geheimnisvollen berühren zu lassen. Yoga ist ein solcher Weg. Hier Beispiele, wie diese Näher nicht gesucht wird.
Eucharistiefeier als Unterricht
Wer sich zu einer Eucharistiefeier einfindet, musste früher zuerst das "Ich bekenne. ...gesündigt zu haben" absolvieren. Das war nicht angenehm, erst einmal mit dem Negativen der eigenen Person konfrontiert zu werden. Aber das stellte zwei Weichen: Ich wurde darauf eingestellt, dass es um meine Person geht. Dann wurde ich auch nicht auf ein Podest gestellt, sondern mir wurde Erlösung in Aussicht gestellt. Heute muss ich oft bereits zu Beginn etwas länger zuhören, weil mir ein Ausblick auf den Inhalt der Lesungen gegeben wird. Das klingt sympathischer, denn es versetzt mich nicht mehr in die Rolle eines Schuldbeladenen, aber dafür in einen, der etwas lernen soll. Ich werde nicht mehr in die Position geschoben, mich wandeln zu lassen. Da der Gottesdienst bereits dann sein Ziel erreicht hat, wenn ich verstanden habe, ist die Messe nicht mehr auf den Vollzug der Eucharistie ausgerichtet, diese wird eher zu einem Anhängsel. Das macht uns die Sache einfacher. Denn wir Priester müssen uns nur auf die Predigt vorbereiten, bei der Eucharistie müssen wir nur andächtig sein. Eigentlich sollen wir aber beim Sprechen der Wandlungsworte Christus repräsentieren und müssten uns in diese Rolle hineinfinden und nicht mit der Ausarbeitung der Predigt unsere Vorbereitung auf die Messe abschließen.
Kirchenmitgliedschaft durch Zahlungsbereitschaft
Die Katholische Kirche in Deutschland erfährt vom Einwohnermeldeamt, wenn jemand zugezogen ist. Mit dieser Meldung ist direkt der Einzug der Kirchensteuer verknüpft. In Ländern ohne diese staatliche Unterstützung melden sich die Gläubigen, die auch am neuen Ort am kirchlichen Leben teilhaben wollen, im Gemeindebüro, nicht unbedingt bei der Konfession, zu der sie am vorigen Wohnort gehörten. Vergleicht man das mit der Anmeldung bei einem Sportverein oder einem Chor, dann wird bei diesen Mitgliedschaften nicht das Verwaltungstechnische und der Beitrag, sondern das Sporttreiben oder das Singen in den Vordergrund gestellt, indem ich gefragt werde, auf welcher Position ich z.B. in einer Mannschaft gespielt habe oder welche Stimmlage ich mitbringe. Noch mehr als beim Umzug wird die Beitragszahlung Thema, wenn jemand die Kirchensteuer nicht mehr zahlen kann oder will. Er muss dann aus der Glaubensgemeinschaft aussteigen. Das hat dazu geführt, dass das Geld ein eine immer größere Rolle spielt.
Die Sünde des Sexuellem Missbrauchs wirkt weiter
Der Synodale Weg wurde am Kernproblem des Sexuellen Missbrauchs weit genug vorbeigeführt. Er hätte sich dem Kernproblem widmen müssen, dass nämlich die Täter nicht bereit sind, vielleicht auch nicht in der Lage sind, das Verbrecherische ihres Handelns gegenüber den Opfern einzugestehen. Entschuldigen müssen sich andere für sie. Die Verwaltungen der Bischöfe heben das menschlich-religiöse Problem auf die Ebene der Personalakten. Die werden von Rechtsanwaltskanzleien ausgewertet. Manchmal lebt noch einer der Personalverantwortlichen. Dann hat man einen Sündenbock, aber keinen Umgang mit der Schuld - so können Akten den Sinn einer Erlösungsreligion verstellen. Die Aufarbeitung des Missbrauchs, also die Sünde, wurde auch anderswo nicht Thema. Man ist gleich dazu übergegangen, eine Prävention zu installieren. Die trägt den Ansatzpunkt für weitere Schädigungen bereits in sich. Die Schulungen kirchlicher Mitarbeiter sollen diese nämlich nur befähigen, Auffälligkeiten bei Kindern ernst zu nehmen. Das heißt aber: erst wenn ein Kind missbraucht worden ist, greift diese Prävention. Man tritt den Tätern nicht zu nahe und überlässt sie einer Praxis. Die Täter müssten nicht nur therapiert, sondern auch an die Erkenntnis ihrer Schuld herangeführt werden. Oder sollen sie sich im Alter in die Demenz flüchten müssen. Dass der Missbrauch sich schon in den siebziger Jahren untergründig so ausgewirkt hat, dass viele Priesteramtskandidaten bei näherer Berührung mit dem Klerikerstand ihr Berufsziel aufgeben mussten, lässt sich mit Sicherheit nicht aus den Personalakten der Täter herauslesen.
Gebet und Meditation sind für die Organisation Kirche entbehrlich, für ihren religiösen Kern jedoch nicht
Aus dem Vergleichsmodell „Dunkle Materie“ lässt sich auch eine Einsicht über das Gebet ableiten: Das, was die Kirche sichtbar betreibt, also Gottesdienste, Wallfahrten, Religionsunterricht u.a. machen gegenüber der Tiefendimension nur einen geringen Teil ihres Lebens aus. Das legt der Anteil der Atome, also der Galaxien, am Gesamt des Weltalls nahe. Diese machen nur 5% des Kosmos aus. Viel größer als die Materie, die glüht bzw. Licht reflektiert, ist die Dunkle Materie. Sie ist immer noch nicht mit den Instrumenten der Physik fassbar, sondern nur indirekt durch ihre Wirkung auf die Licht-Materie. Die Kirche in Deutschland kann sich an Jesus orientieren, der lange Gebetszeiten praktizierte. Das bedeutet dann, dass Kirche nicht aus Konferenzen entsteht, sondern aus den Tiefenschichten, zu denen Gebet, Meditation sowie Kunst und Musik Zugang eröffnen.
Machtmissbrauch Unantastbarkeit
Der Synodale Weg hat den Anspruch erhoben, den Machtmissbrauch in der Kirche stillzulegen. Es gibt ein eigenes Dokument dazu. Ob sich tatsächlich etwas ändert, so wie Papst Johannes und mit ihm das Konzil ein erkennbares Umdenken erreicht haben, ist kaum zu erwarten. Eine Beobachtung kann helfen, kein Opfer von Machtmissbrauch zu werden. Gläubige, die in Kontakt mit der Dunklen Materie der Religion stehen, sind weniger angreifbar. Man kann es immer wieder beobachten. Wir nennen sie „spirituelle Menschen“, die nicht nur eine besondere Autorität, sondern auch Unantastbarkeit ausstrahlen. Aber das ist kein absoluter Schutz. Jesus konnte zwar durch die Menge hindurchgehen, die ihn bedrohte. Dem Tod entging er nicht. Er hat nicht nur die in Gesetzesbefolgung erstarrte Religion infrage gestellt, sondern auch die Gesetzesausleger. Denn die Schriftgelehrten verdienten ihr Brot durch Beratung, wie ein einzelnes Gebote in einer konkreten Situation anzuwenden sind. In dieser Gefahr ist die Katholische Kirche in Deutschland nicht mehr. Sie hat ihren Einfluss verspielt. Ihr höherer Rat steuert nicht mehr durch Verhaltensnormen, z.B. für das Sexuelle, sondern durch Geld. Damit kommt dieser Gedankengang zum selben Ergebnis wie die Analyse der Achtundsechziger. Der Synodale Weg hätte sich mit den Kirchenfinanzen beschäftigen müssen. Dann hätte auch die Macht-Thematik anders bearbeitet werden können.
Darf man so denken?
Auf den Einwand, die Physik könne nicht zur Bearbeitung theologischer Fragen oder gar für die Kursbestimmung einer Kirchenreform genutzt werden, sei ein theologisches Argument genannt: Wenn Gott der Urheber dieses Weltalls ist, ist er erst einmal nicht Teil dieser Welt und daher nicht für die Wissenschaften fassbar. Jedoch wird man etwas von ihm erahnen, wenn man mehr von seiner Schöpfung versteht. Denn sie ist ja aus seinen Gedanken entstanden. Wenn die Dunkle Materie herangezogen wird, um etwas an der Religion zu verstehen, dann war das den biblischen Autoren noch nicht möglich. Sie haben mit Bildern der Natur Verstehen für das Religiöse gesucht; z.B. haben sie am Wind das Wirken des Geistes oder am Wasser die Lebenskraft zu erklären versucht. Das "Höllenfeuer" ist so bis heute zum Begriff geworden. Dabei bleibt die Natur nur Vorstellungshilfe. Man könnte die oben beschriebenen Phänomene auch mit dem Bild des Geistes beschreiben. Dann müsste allerdings auch von den bösen Geistern gesprochen werden, die im Ukrainekrieg wieder ihre Existenz gezeigt haben.
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