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Deshalb Sonntag: wegen des Segens

Mein Leben soll gelingen. Das ist über weite Strecken gewährleistet. Aber trotz Krankenhäusern, Polizei, Notrufzentralen gibt es Unsicherheiten. Auch wenn ich alles mir mögliche einsetze, ist das Gelingen nicht gewährleistet. Es muss noch etwas dazu kommen. Wir brauchen Segen für das Gelingen.

Meist fange ich nicht beim Segen an. Der Tag ist voller Erledigungen und Terminen. Ich bin schon beim Aufstehen innerlich unterwegs, aber nicht nur für das Alltägliche. Ich will nicht irgendetwas vom Leben. Ich lasse die Zeit nicht an mir vorbeifließen und warte ab, was sie mir bringt, sondern suche nach einem "Mehr", das ich erreichen will. Das finde ich auch oft. Beim Einsteigen ins Auto oder den Zug denke ich an das, was ich dann erledigen, wen ich treffen, was ich zustande bringen will. Dafür brauche ich eine Artinnere Landkarte im Kopf. Denn ich habe nicht nur für das Ziel meiner Fahrt eine Karte im Kopf, sondern auch für das, was mir dort gelingen soll. Das zeigt mir meine Straßenkarte nicht mehr an. Die Gesamtkarte für mein Leben fülle ich jeden Tag weiter aus. Zeitung, Telefonate, Google, die Social Media, vor allem die Begegnungen und Besprechungen tragen sich von selber ein. Mir Wichtiges speichere ich besonders sorgfältig. An dieser inneren Karte muss ich sorgfältig arbeiten. Weil ich aber trotz aller Sorgfalt das Gelingen nicht im Griff habe, muss ich die Geschehnisse der Woche mit dem Darunterliegenden verbinden, von woher letztlich die Energie und auch die Intuition für das herkommt, was mein Leben trägt. Dafür haben die Juden den Sabbat freigehalten. Dieses Erbe wird umso wertvoller, je mehr wir unser Leben beschleunigen. Wie entwickle ich meine innere Landkarte weiter?

Menschen sind die Knotenpunkte meines Lebens

Für meine Erledigungen im Alltag reicht die Karte im Kopf. Manches kann ich an das Navy delegieren. Aber auch wenn das Navy für mich arbeitet, ich muss das Ziel eingeben. Das Navy bringt mich nur an einen bestimmten Ort. Die Orte werden aber erst zu Knotenpunkten, wenn ich dort Menschen treffe, mit denen ich etwas vorhabe, die mich verstehen, deren Lebenssicht und Wertvorstellungen ich teile, die mir in Freundschaft verbunden sind. Meine innere Landkarte ist weniger von Straßen- und Schienenwegen besetzt, sondern von den Menschen, mit denen ich zu tun habe. Abends kann ich rekapitulieren, was heute war, wer mir gemailt hat, mit wem ich geredet habe, was vorangegangen ist. Da erscheinen Bilder vor meinem inneren Auge, Worte klingen nach und ich spüre noch die Gefühle aus gelungenen Situationen wie aus spannungsreichen Begegnungen. Beim Aufstehen am nächsten Morgen fahre ich meine innere Karte „hoch“ und schaue dann auf die Punkte, die heute zur Erledigung anstehen. Meist bleibe ich bei den Knotenpunkten, den Menschen hängen.

Die innere Landkarte der anderen 

Ich muss fast immer überlegen, wie ich mit anderen zurechtkomme. Mit kaum jemandem ist es einfach. Ich muss mit Unmut rechnen oder dass der andere nicht mitmacht, sogar den Kontakt mit mir abbricht, dann schlecht über mich redet und vielleicht etwas gegen mich ausheckt. Chefs und Chefinnen brauchen immer eine besonders umsichtige Behandlung. Um mit anderen zurechtzukommen, hilft es mir sehr, wenn ich deren innere Landkarte kenne. Das ist bei Freunden und in der Partnerschaft deshalb einfacher, weil der andere sich öffnet. Da weiß ich, was dem anderen wichtig ist und von welchen Wertvorstellungen er, sie sich leiten lässt. Das macht es mir einfacher in Kontakt zu kommen. Da ich mit anderen unterwegs bin, geht es auch um das Ziel, das wir gemeinsam erreichen wollen.

Gemeinsame Ziele sichern den Zusammenhalt

Betrachte ich die innere Landkarte näher, dann habe ich sie ja, um ans Ziel zu gelangen. Eine Bergtour spannt mich mit anderen für einige Zeit zusammen. Sehr viel länger bin ich für berufliche Ziele zusammen. Wir bleiben so lange zusammen, wie wir an die Erreichung des Ziels glauben. Blicke ich zurück, dann sind viele ausgestiegen, weil sie nicht die Sicherheit spürten, das Ziel zu erreichen. Besonders Viele sind es in den Kirchen. Wenn ich als Mitglied der Katholischen Kirche, der sogar Religion zu seinem Beruf gemacht hat, zurückschaue, dann sind fast mehr ausgestiegen als diejenigen, die den Karren weiterziehen. Aber auch die, die geblieben sind, trauen ihrer Kirche kaum noch etwas zu. Die katholische Kirche erlebt gerade, dass alles, was auf ihrer Landkarte eingetragen ist, Religionsunterricht, Gottesdienste, Firmung, eine christlich verstandene Ehe, Ordensleben, theologische Bildung schrumpfen, weil die Wurzeln den Kontakt zum Grundwasser und den Mineralien des Bodens verloren haben. Viele stellen wohl wie ich fest: Wenn die Institution nur noch verwaltet wird, aber keine Energien mehr ins Leben einspeist, muss es schon Gott selbst sein, der mich hält. Darauf kann ich sogar setzen, denn Gott ist nicht die Institution.

Gott ist nicht ein Knotenpunkt auf meiner Landkarte

Wie das meiste im Leben funktioniert auch das kirchliche Leben erst einmal wie von selbst. Gottesdienste, Taufe, Firmung, Hochzeit oder Priesterweihe, Jubiläen und Goldhochzeiten, ein Ritus steht zur Verfügung. Jedoch funktionieren die Riten anders als Fahrpläne oder Projektpläne. Sie setzen zwar Menschen auf die Spur. Aber ob Ehe oder religiöse Riten, Ehepartner wie Priester bleiben nur im Boot, wenn sie daran glauben. Glaube heißt hier, dass ich einen tragenden Grund spüre. Das ist an den Riten ablesbar. Sie funktionieren nicht wie ein Supermarkt, dass ich etwas Handfestes mitnehmen kann. Es gibt keinen Gegenstand, den ich so wie bei einem Kauf erhalte. Vielmehr wird das Geschehen, so die eheliche Verbindung, mit dem Urgrund verknüpft. Zwei Menschen können sich auch so zusammentun, um eine Partnerschaft zu leben. Aber Viele wollen mehr. Wenn sie eine kirchliche Trauung wünschen, dann wollen sie ihre Partnerschaft unter den Schutz Gottes stellen. Auch gleichgeschlechtliche Paare bitten um diesen Segen. Sie erwarten von Gott etwas, das Menschen nicht garantieren können, nämlich das Gelingen. Segen heißt dann, dass ich mich dem Urgrund zuwende, von dem alles getragen wird, und vom Himmel erwarte, dass in mich ein guter Geist, Energie und Lebenszuversicht einströmen. Dafür muss ich viel Vertrauen aufbringen, denn bei dem vielen Misslingen wird die Frage immer dringender, ob Gott am Ende zu mir steht. Muss ich trotzdem darauf setzen?

Die Grenzen des Verstandes stoßen auf die Tiefenschicht des Glaubens

Ob mein Leben gelingt, ob Menschen, auf die ich setze, auch noch zu mir halten, wenn ich ernsthaft durch Verzweiflung, grobes Fehlverhalten, vielleicht sogar, weil ich das Leben anderer aufs Spiel gesetzt habe, verletzt bin, kann ich nicht voraussagen. Ob Gott zu mir hält, daran muss ich glauben. Alles, was ich überblicke, gibt mir dafür keine Gewähr. Zugleich muss ich anerkennen, dass ich nicht alle Bedingungen im Griff habe, von denen das Gelingen meines Lebens abhängt. Das ist die Situation des Glaubens. Ich muss mich nicht auf Gott beziehen, aber auf den Untergrund der mich trägt, bin ich bezogen. Die Sehnsucht nach Gelingen erhofft Segen, ob von der Konstellation der Sterne, vom Sich-meditativ-mit-dem Tieferen-Verbinden oder von Gott, der mein Gelingen will. 


Kategorie: Entdecken

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