Geldströme; Foto: hinsehen.net E.B.

Das Verschwinden des Geldes

Wenn wir Geld sagen, meinen wir in der Regel Scheine oder Geldstücke, mit denen wir eine Ware oder Dienstleistung bezahlen können. Auch die Zahlen, die wir auf unseren Konten sehen oder auf dem Beleg, wenn wir mit Karte bezahlen, verbinden wir in irgendeiner Weise mit dem ganz konkreten Geldstück. In Zukunft wird sich dies deutlich verändern. Dann wird einfach etwas abgebucht. Ein Beitrag über das Mysterium Geld:

Steigen wir in den Zug ein und aus, dann läuft dieser Vorgang automatisch ab, ohne dass wir davon noch etwas mitbekommen. Solche Bezahlsysteme werden bereits erprobt und Bargeld wird etwas sein, das kaum noch von Bedeutung ist. Wie wirkt sich dieser indirekte Bezug zum Geld aus? Verändert sich damit auch das Gefühl für teuer und billig? Liegt im bargeldlosen Verkehr eine Chance oder wird es ein Verderben sein?

Auf dem Geld sitzen können

Wir sind daran gewöhnt, dass jemand, den wir als reich einschätzen, viel Geld besitzt und wie Dagobert Duck auf seinen Geldstücken sitzt. Eine Kiste voll mit Geldstücken gilt als ein Bild für Reichtum. Das Märchen ‚Tischleindeckdich‘ berichtet von einem Esel, der Goldstücke speit. Über viele Jahrhunderte hindurch hat sich dieses Bild von Reichtum in der Kultur festgesetzt. Es war üblich, mit einem Geldstück zu bezahlen. Die Idee einer Kryptowährung macht inzwischen deutlich, dass es eine virtuelle Welt gibt, die nicht mehr konkret erfahrbar ist, aber einen maßgeblichen Einfluss auf die Realität hat. Wer mit Bitcoin reich geworden ist, hat nicht nur Spielgeld in der Hand, sondern auf seinem Konto tiefschwarze Zahlen stehen, mit denen er Gegenstände, Luxusgüter usw. eintauschen kann. Geld wird nicht mehr haptisch erfahren, sondern mit einem Blick auf das Konto. Eine sinnliche Beziehung zum Geld wird von einer – so könnte man es vielleicht formulieren – mathematischen Beziehung abgelöst. Es sind Zahlen und nicht mehr Geldstücke, die mit Geld in Verbindung gebracht werden. Geld wird nicht mehr gezählt, es wird gerechnet und Zahlen werden verglichen.

Die Wiederkehr der Gegenstände

Konnte jemand bislang noch mit einem dicken Bündel von Geldscheinen in der Tasche oder einem prall gefüllten Portemonnaie Eindruck schinden, so dürfte sich das Präsentieren von Reichtum dahingehend verändern, dass das, was man mit diesem Geld kaufen kann, mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt wird. Edel- oder Luxusmarken werden als Symbol für das Reichsein wichtiger werden. Man fährt nicht einfach einen Mercedes, sondern einen AMG oder Brabus, nicht einen schnöden Fiat, sondern einen Abarth und auch Citroen hat das Angebot für seine DS-Modelle ausgebaut. Auch der kleine Mann / die kleine Frau können sich einen kleinen und preisgünstigen Citroen aus der Luxusreihe bestellen. Luxusgüter oder Waren, die so erscheinen sollen, finden immer mehr Käufer. Selbst Aldi und Lidl präsentieren sich luxuriöser und mit Premiumartikeln. Wer an der Börse spekuliert und auf Edelmetalle setzt, kauft nicht nur Aktien oder Optionsscheine, sondern physisches Gold, das die Banken für ihn verwahren. Wer ein reales Haus besitzt, gilt als reich. Und eine Immobilie zu erwerben, ist in den letzten Jahren schwieriger und damit ein eindeutiges Luxusobjekt geworden. Auch die steigende Zahl von Outlet-Läden verweist auf diese Tendenz, Markenartikel können hier günstiger erworben werden.

Die Zahleinheit Zeit

Ein weiteres Phänomen der neuen Warenwelt scheint zu sein, dass Zeit als Luxus ‚verkauft‘ wird. Wellness, Kreuzfahrten, Luxushotels, gehobene Restaurants, luxuriöse Events gibt es zum Schnäppchenpreis. Wer nur pfiffig sucht, findet bei Secret Escapes günstige Angebote in den teuersten Hotels. Man gönnt sich diese Auszeit und die hat einen Hauch von Luxus. Zeit ist mittlerweile auch eine Währung bei Arbeitsverträgen. Arbeitgeber, die eine zeitliche Flexibilität für die Kindererziehung, die Pflege der Eltern oder auch für besondere Hobbys anbieten, gelten als fortschrittlich. Auch die Möglichkeit des Homeoffice ist eine Art von Währung.

Währung löst Geld ab

Das Geld als Geldstück scheint keine große Überlebenschance mehr zu haben. Viele Einkäufe werden über den Versandhandel getätigt, Fahrkarten werden online gekauft, im Supermarkt und anderswo wird mit der Karte bezahlt und die Politik ist daran interessiert, das Bargeld ganz abzuschaffen, um die Geldwäsche zu erschweren und somit möglicherweise auch Waffenlieferungen an Terroristen zu verhindern. Es wird sich eine andere Währung als das Geld entwickeln, weil Kriminelle andere Wege für ihre Geschäfte finden werden und die Möglichkeiten der Überwachung vereiteln wollen. Wie es heute schon modellhaft gehandhabt wird, tauscht man in Geschäften Ware gegen Ware oder eine Dienstleistung wird mit einer anderen Dienstleistung oder auch Ware verrechnet. Diese Art der Währung stellt jedoch viele Systeme, die wir gewohnt sind, in Frage. Es verringert sich bereits die Zahl der Banken, die werden zukünftig kaum noch gebraucht. Vor allem aber wird sich die Frage auftun, wie Steuern eingetrieben werden sollen, wenn Waren und Dienstleistungen untereinander getauscht werden. Mit Geld als Tauschwert war dies recht einfach. Wird eine andere Form der Währung eingeführt, die nicht mehr mit Geld vergleichbar ist, dann müssen sich Gesellschaftssysteme vollständig verändern.

Die Sinnlichkeit des Geldes

Verschwindet das Geld als Geldstück aus unserem Alltag, können wir auch kein sinnliches Verhältnis mehr zum Geld entwickeln. Wir geben damit eine Form des Irrealen auf. Denn es ist uns bewusst, dass ein 500 Euro-Schein nur ein Papier ist, es hat keinen realen Gegenwert. Auf der anderen Seite stellt ein Geldstück keine Verbindlichkeit dar. Die Zahlen auf meinem Konto, einem Beleg bei der Kartenzahlung u. ä. bezeichnen eine Verbindlichkeit in die eine oder andere Richtung. Dies scheint der wichtigste Unterschied zu sein, der im Geldverkehr bereits stattgefunden hat. Aus der sinnlichen Erfahrung des Geldes wurde die Feststellung von Verbindlichkeiten. Diese Verbindlichkeit ist allerdings anonym, es ist kein Vorgang, der konkret zwischen zwei Menschen stattfindet, ich gebe einem anderen Menschen keine Geldstücke in die Hand, wenn er mir dafür eine Ware gibt. Aufgrund der Anonymität des Vorgangs verliert diese Verbindlichkeit ihre persönliche Note. Man ist nicht mehr verbindlich, wenn man Verbindlichkeiten hat. Die Menschen werden nach anderen Möglichkeiten suchen und es ist sogar wahrscheinlicher, dass ein Tauschgeschäft ohne Geld die Menschen zu mehr Kommunikation zwingt und eben dadurch auch, Geschäftsbeziehungen persönlicher machen wird.



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