Wie kann man die öffentliche Rentenversicherung noch retten?

Die öffentliche Rentenversicherung in Deutschland steht, wie in vielen anderen westlichen Staaten, vor riesigen Herausforderungen. Mit dem Renteneinstieg der Babyboomer gibt es weniger Beschäftigte, die die Rentenbeiträge zahlen. Es muss jetzt gehandelt werden, damit aus dem Steueraufkommen nicht noch mehr für die Altersversorgung abgezweigt werden muss.

Die Jahrgänge, die jetzt auf den Arbeitsmarkt drängen, sind jeweils um mehrere hunderttausend Personen geringer. Das liegt daran, dass seit den frühen siebziger Jahren, daran, dass nicht die Jüngeren, sondern die Älteren Generationenvertrag nicht mehr einhalten. Es werden zwar mit den Rentenbeiträgen die Rentner und Rentnerinnen bezahlt. Aber diese ziehen nicht so viele Kinder groß, die später die Rente für Eltern und Großeltern aufzubringen haben. Wenn nicht eingegriffen wird, droht eine starke Erhöhung der Beiträge für die Rentenkasse und es werden noch mehr als die jetzt schon 120 Milliarden aus dem Steueraufkommen fällig. Die Akzeptanz des Rentensystems könnte entsprechend erodieren. Was ist zu tun? Dazu ein kurzer Rückblick

Die Rentenversicherung in Deutschland gibt es schon seit 1889

Die Rentenversicherung in Deutschland wurde 1889 als Invaliditäts-  und Altersversicherung eingeführt. Zunächst wurde sie zu jeweils einem Drittel vom Staat, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern finanziert. Auch heute ist die Finanzierung ähnlich, wobei der Anteil des Staates mit etwa 120 Milliarden Euro prozentual vom Volkseinkommen zur Zeit etwas niedriger liegt als im 19. Jahrhundert. Es handelt sich um eine Versicherung und Zwangssparprogramm für nahezu alle Berufstätige. Dadurch wird aber auch eine Negativauslese bei den Versicherten vermieden und der Anreiz, sich auf die Sozialhilfe des Staates im Alter zu verlassen, gemindert. Zudem verringern sich sogenannte Transaktionskosten für Werbung, Vertragsabschluss und Verwaltung. Auch kann nur der Staat eine „Ewigkeitsgarantie“ geben. Private Unternehmen können Pleite gehen. Auch der Inflationsausgleich bei privaten Altersrenten gestaltet sich teuer und schwierig. Trotzdem ist die Idee der Politik richtig, Geld am Kapitalmarkt anzulegen und Erträge zu erzielen, um damit die Rentenbeiträge nicht zu sehr in die Höhe zu treiben. 

Der Anstieg der Rentenerhöhungen sollte auf den Inflationsausgleich beschränkt werden.

Seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist die Rente sogar dynamisiert, das heißt die Rentenanpassungen orientieren sich an der Entwicklung der Arbeitslöhne. Wenn Die Löhne um 5% steigen, erhöhen sich auch die Renten um 5%. Diese Dynamisierung machte bei der Einführung 1957 durchaus Sinn, denn die Rentnergeneration damals war durch zwei Weltkriege und die Hyperinflation der 1920er Jahre sehr benachteiligt, was die Höhe ihrer Einkommen anging. Eine Orientierung der Rentenhöhe nur an den bisher eingezahlten Beiträgen wäre als ungerecht empfunden worden.
Heute gibt es diese Begründung nicht mehr, man könnte den Rentenanstieg also auf den Ausgleich der Inflation beschränken. Das wird in allen anderen Industriestaaten auch so gemacht und würde die Ausgabe, die die Berufstätigen stemmen müssen, in Grenzen halten. Die Rentner hätten trotzdem eine beitragsbezogene Absicherung.

Möglichkeiten das Erwerbspersonenpotential zu erhöhen

In der Diskussion zur demographischen Entwicklung wird häufig das Argument verwendet, dass das Verhältnis von 20 bis 65-Jährigen im Jahr 2030 in etwa dem des Jahres 1970 entsprechen würde, nur dass es im Jahr 2030 eben mehr Alte als Kinder geben wird. Das stimmt zwar von den Zahlen her, aber es macht für ein Rentensystem natürlich einen Unterschied, ob es viele Junge gibt, die bald arbeiten, oder eben viele Alte, die versorgt werden müssen. Auch der Hinweis, dass Frauen heute später Kinder bekommen, hilft nicht wirklich, da sich die rechnerische Geburtenrate deshalb nicht wesentlich erhöht. Auch der Vorschlag, Beamte und Selbstständige in die Rentenkasse einzugliedern, würde deshalb keine große Entlastung bringen, denn über kurz oder lang, wären sie nicht mehr Einzahler, sondern Bezieher einer Rente. Das Grundproblem, das Verhältnis Einzahler und Empfänger wäre schon mittelfristig nicht gelöst. Nur wenn, wie in der Schweiz, ein Höchstbetrag der Rente eingeführt würde, die Beiträge aber ohne Bemessungsgrenze weitergezahlt werden müssten, ergäbe sich ein Gewinn für die Rentenkasse. Dieses zusätzliche Geld könnte aber auch durch Steuermittel mit weniger bürokratischem Aufwand zur Verfügung gestellt werden.
Um die Rentenbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zu stark steigen zu lassen, ist es wichtig möglichst viele Menschen in den  Arbeitsprozess zu bringen und den Anteil der Rentner so gering wie möglich zu halten. Um das zu erreichen kann man verschiedene Stellschrauben einstellen.

Zum einen können mehr junge Menschen arbeiten, wenn die Ausbildungszeit verkürzt wird, indem man berufliche Ausbildungen fördert und die Förderung der Universitätsausbildungen begrenzt. Es verlassen jetzt etwa 30% der Studierenden die Universität, ohne ein für die zukünftige Berufstätigkeit relevantes Zeugnis mitzunehmen.
Der Renteneintritt älterer Beschäftigter kann verzögert werden, wenn man  mehr Möglichkeiten zur beruflichen Fortbildung schafft, die Gesundheit am Arbeitsplatz fördert, genügend Rehabilitationsmaßnahmen anbietet und längere Berufstätigkeit honoriert, bzw. Anreize zur Frühverrentung vermeidet
Es wäre möglich die Rente nach 45 Berufsjahren auf die Tätigkeitsgruppen zu beschränken, die körperlich sehr beansprucht werden oder aber auch die Möglichkeiten zur Berufsunfähigkeit anzupassen.
Längere Berufstätigkeit über das 65. Lebensjahr hinaus könnte auf verschiedene Weise, etwa durch Steuervorteile oder den Verzicht auf Sozialbeiträge attraktiver gestaltet werden.
Die Berufstätigkeit von Frauen, vor allem auch der Frauen mit Migrationshintergrund, könnte durch bessere Kinderbetreuung und der Abschaffung des Ehegattensplittings im Steuerbereich zugunsten einer Familienbezogenen Besteuerung erhöht werden.
Zuwanderung in den Arbeitsmarkt sollte durch verbesserte Verfahren zur Anerkennung von Qualifikationen und mehr Angebote zur Ausbildung für geeignete Bewerber aus dem Ausland gefördert werden.

Die Anreize zur Aufnahme einer Beschäftigung müssen erhöht werden.

Für viele Geringverdiener und Menschen ohne Ausbildung lohnt es sich kaum, eine Beschäftigung aufzunehmen, die rentenversicherungspflichtig ist, weil sie kaum eine Rente erzielen werden, die über der Grundsicherung für Ältere liegt. Es gibt eine sogenannte „Respektrente“, die aber relativ kompliziert und an viele Voraussetzungen geknüpft ist, wie eine Mindestanzahl von Jahren, in denen in die Rentenversicherung eingezahlt wurde,
Um es auch für Geringverdiener und Langzeitarbeitslose attraktiv zu gestalten, damit sie eine Beschäftigung aufnehmen, für die Rentenbeiträge bezahlt werden, sollte bei der Anrechnung von Alterseinkünften auf die Grundsicherung ein Freibetrag von zunächst 25 % eingeführt werden. Das würde die Rente erhöhen und kann langsam abgeschmolzen werden sowie ab einer gewissen Rentenhöhe entfallen. Ein ähnliches Prinzip wird auch schon beim Bürgergeld angewendet. Von € 100 Rente würden in solchen Fällen immerhin 25 Euro zusätzlich zu Bürgergeld, bzw. Grundsicherung gezahlt werden. Die Betroffenen wären bei Arbeitsaufnahme deutlich bessergestellt, als beim Verharren in der Arbeitslosigkeit. Zudem würde die Lebensleistung berücksichtigt. Gesamtgesellschaftlich kann hier zumindest mittelfristig der Erwerbspersonenpotential besser genutzt und Langzeitarbeitslosigkeit besser vermieden werden. Die zusätzliche Wertschöpfung würde die Kosten für den Zuschlag zur Grundsicherung sicherlich übersteigen.


Kategorie: Analysiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang