Foto: Clker-Free-Image-Pixabay

Taliban: Kalaschnikow statt Koran?

Die Bilder brennen sich ein: Männer mit Turban, die dem Betrachter eine Kalaschnikow entgegenhalten. Will sich der Islam so präsentieren? Wie sehen das die Muslime hier? Weltweit müssen die Muslime sich entscheiden, ob sie weiter zuschauen oder in Afghanistan helfen, endlich einen funktionierenden Staat auf die Beine zu stellen. Und der Westen wird wahrscheinlich wieder nichts aus seinen Fehlern lernen.

Der Westen hat offensichtlich auch nur Waffen im Kopf

Wie kann man zuerst militärisch vorgehen und dann darauf setzen, dass Menschen in einem ganz anderen Kulturkreis begeisterte Demokraten werden? Wo haben die Islamkenner und die Politologen das tragfähige Konzept entwickelt, das in Afghanistan hätten funktionieren können? Jetzt zu erklären, warum es nicht funktionieren konnte, ist müßig. Dafür braucht es keine Orientalisten, das können die Journalisten, die von einer Meldung zur nächsten hüpfen, auch ohne die Fachleute, die sich ein Wissenschaftsleben lang in eine fremde Kultur hineingedacht haben und sich Orientalisten nennen dürfen.

Kalaschnikows fordern zur Flucht auf

Wir haben uns an das Bild gewöhnt. Die Kalaschnikow ist das Markenzeichen der Taliban, nicht der Koran. Sehen sie nicht, dass die Gewehre den Cyberwaffen und Drohnen weichen werden, so dass dann der Koran ihr Rückhalt bleiben wird? Sie lassen für die Welt die Bilder zu, dass Muslime ausgeflogen werden, weil Landsleute sie als lebensbedrohlich einschätzen. Erstaunlich gelassen sehen die Taliban auch zu, wie Nicht-Muslime ihre Glaubensbrüder nicht entführen, sondern vor ihnen retten. Welche für den Islam doch wenig erfreuliche PR. Wo bleibt da der Stolz und warum nimmt die übrige muslimische Welt das schweigend hin?
Man kann auch ganz vorsichtig fragen, warum Persien die Schiiten im Nachbarland nicht retten will, zumal die meisten Stämme eine dem Persischen verwandte Sprache sprechen. Zwar sind die große Mehrheit der Afghanen Sunniten und könnten auf die Hilfe Saudi-Arabiens setzen oder die Turkvölker im Norden des Landes auf die Türkei, aber diese wollen ihre Glaubensbrüder nicht.
Und dann die Journalisten hier und die Politiker mit ihren schnellen Lösungen. Wären die fliehenden Afghanen nicht in einem muslimischen Land besser aufgehoben, wo Wahlen funktionieren, z.B. Indonesien? Empfinden die anderen muslimisch geprägten Länder es nicht als die bekannte Überheblichkeit des Westens, dass dieser sich als der Retter ihrer bedrohten Glaubensbrüder „aufspielt“?
Kann Afghanistan überhaupt auf die verzichten, die jetzt aus dem Land fliehen? Sind es nicht gerade die, die das Land dringend als Parlamentarier, Minister und Kommunalpolitiker braucht?

Die Frauen

Wenn es Krieg gibt, müssen die Mütter ihre Söhne in den Kampf entlassen. Es nicht bekannt, dass die Taliban Zwangsrekrutierungen durchführen. Die jungen Männer kommen aus eigenem Antrieb. Vielleicht sehen die Mütter keine andere Chance für ihre Söhne.
Können dann die Söhne auf Frauen verzichten? Zumindest braucht es in den Städten Erziehrinnen und Krankenschwestern. Oder entdeckt Afghanistan, welche Potentiale Frauen einbringen können. Es geht ja nicht darum, dass Frauen einfach nur dort eingesetzt werden, wo Männer fehlen, sondern dass sie mit ihren Wertvorstellungen das Gemeinwesen gestalten.

Nicht zu Deutschen machen, sondern auf den Aufbau Afghanistans vorbereiten

Die Journalisten scheinen fasziniert von den Taliban. Mit Fotos stellen sie diese als Helden dar. Früher wäre diese Bildauswahl als Gewaltverherrlichung scharf kritisiert worden. Stattdessen werden die Taliban als militärisch erfolgreich gegenüber der Unfähigkeit westlichen Politiker dargestellt. Wo bleiben die Fragen an die vielen Muslime hier, was sie tun werden? Auch von den Islam-Verbänden hört man nichts, ebenso wenig von den Professoren und Professorinnen, die an Universitäten muslimische Religionslehrer und -Lehrerinnen ausbilden. Es kann doch nicht sein, dass sie diese Aufgaben den Christen überlassen. Wo werden die Afghanen und Afghaninnen ausgebildet, die in ihrem Land eine stabile Staatsform aufbauen.

Kurzsichtige Politik bewirkt langfristig Probleme

Christliche Nächstenliebe muss weiter reichen als die Aufnahme von Flüchtlingen. Sie werden durch die üblichen Integrationsmaßnahmen zu Bürgern eines europäischen Landes gemacht, anstatt sie für den Aufbau eines funktionierenden Staates in Afghanistan zu schulen.
Das funktioniert nicht einfach, indem der Westen sein Demokratiemodell den Muslimen aufoktroyiert. Die Entwicklungen in den Ländern des Arabischen Frühlings waren vielversprechend und enden in Libyen und Syrien in einem Bürgerkrieg. Man muss die Muslime nicht „säkularisieren“, sondern in ihrer Wertorientierung bestärken. Die Religion ist in sich nicht demokratie-feindlich, weil sie immer einen noch größeren verehrt, der nicht auf einem menschlichen Thron sitzt. In der entchristlichten DDR waren es Christen, sogar aus den Reihen der Katholiken, die nur 3% der Bevölkerung ausmachen, die die politische Verantwortung übernehmen konnten und wollten. Sie hatten nämlich Demokratie bereits in den kirchlichen Gremien eingeübt. Diese Fähigkeiten gibt es auch bei den Muslimen in Afghanistan. Wurden diese entsprechend gefördert?
In Deutschland und Österreich wurde eine lebensfähige Demokratie installiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es den Alliierten, die Bürgermeisterposten sowie die Parlamente und Regierungen der von den Besatzungsmächten neu gegründeten Länder mit für Demokratie aufgeschlossenen Deutschen zu besetzen. Wo wurden solche Strategien in Afghanistan eingesetzt? Offensichtlich sind die Regierungsmitglieder dort mehr an den eigenen Vorteilen orientiert gewesen als dass sie ihrem Land, ohne Korruption, gedient hätten.

Die Staatsidee aus dem Islam entwickeln

Wenn eine Staatsentwicklung von den muslimischen Bürgern getragen werden soll, dann muss sie aus dem Islam auch deshalb heraus entwickelt werden, weil die Religion in Afghanistan eine große Rolle spielt. Auch im Westen war sie der Boden für die Entwicklung der Volkssouveränität. Es waren spanische Theologen, die die Idee der Volkssouveränität auf den Weg brachten. Die Schule von Salamanca mit dem Dominikaner Francisco de Vitoria 1492-1546 u.a. formulierten bereits Menschenrechte, entwickelten ein Völkerrecht und leiteten Demokratie aus der Überlegung ab, dass die Souveränität dem ganzen Volk gehört, nicht einzelnen Individuen, auch nicht einem König, der sich auf Gottes Erwählung beruft. Diese Ideen wurden in der Epoche entwickelt, als die Unterwerfung der Völker Amerikas durch Spanien und Portugal eine Gegenbewegung auslöste. Die Gründungsväter der USA waren Religionsflüchtlinge aus Europa und konnten wohl u.a. demokratische Strukturen der Irokesen für ihr Denken fruchtbar machen. Dafür wäre die Entwicklung der reformatorischen Theologie und Staatslehre heranzuziehen, um erst einmal zu verstehen, wie so etwas wie Demokratie überhaupt entstehen kann.

Interessantes Arbeitsfeld für Akademien

Die Akademien für Politische Bildung sollten mit Muslimen ein Modell entwickeln. In solche Arbeitsgruppen gehören afghanische Frauen. Es geht dabei nicht nur um Afghanistan, sondern auch um die Staaten, in denen der Arabische Frühling große Hoffnungen geweckt hat. Denn wie nach der Russischen Revolution hatten auch dort die zarten Pflanzen der Demokratie nicht genug Lebenskraft, so dass der Feudalismus in neuer Form zurückkehren konnte. Mit der Funktionärsschicht wurde ein autokratisches Regime wiederbelebt. Der einzige Unterschied zum Feudalismus besteht darin, dass der Adel sich durch Abstammung rekrutierte, die autokratischen Regime durch Parteizugehörigkeit oder, wie die Taliban und andere Gruppen, aus Moschee-Gemeinden. Nicht nur in Nordkorea ist sogar die Erbfolge eingerichtet worden. In China regiert ein Mann, der aus dem Kreis der Mao-Nachfolger rekrutiert wurde. Es gibt viel zu tun, um die Einsicht umzusetzen:

               Nicht Waffen, sondern Gedanken muss der Westen bereitstellen.

Link:
Der Islam, der so archaisch wirkt, ist nicht der Anfang der Religion. Der Islam begann mit der Arabischen Schrift, in der der Koran niedergeschrieben wurde. Dazu mehr: Taliban- ihren Steinzeit-Islam gab es anfangs nicht

 

 


Kategorie: Analysiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang