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Eliten – in Verruf und weiter bestimmend

Der Begriff „Elite“ polarisiert und wird zur Stimmungsmache missbraucht. Das geht leicht, weil mit „Elite“ heutzutage eine negativ konnotierte Wertung mitschwingt. Das diesjährige Philosophicum Lech setzte Elite in Beziehung zur Demokratie und kommt dieser Situationsanalyse.

„Elite“ ist zum Schimpfwort geworden. Eliten sind die Sündenböcke gesellschaftlicher Fehlentwicklungen. Und das hat nicht nur im deutschsprachigen Raum damit zu tun, dass in den vergangenen Jahrzehnten durch das, was als neoliberale Politik gilt, - und diese wurde von Eliten betrieben -, in allen westlichen Industriegesellschaften die gesellschaftlichen Unterschiede, vor allem was Einkommen und Vermögen angeht, deutlich vergrößert haben. Heute assoziieren Teile der Bevölkerung mit Elite: Das sind die, die dafür gesorgt haben, dass es uns schlechter geht - und ihnen besser.
Zur Elite bekennen sich deren Mitglieder ungern: „Jeder, der die Chance sieht, sich als aus einfachen Verhältnissen kommend zu charakterisieren, tut das", analysiert Soziologe Michael Hartmann. Und er fügt das Beispiel eines Elitären an, der sich als Sohn eines Polizeibeamten etikettiert, dessen Vater aber im realen Leben Polizeipräsident war. Tiefstapeln soll also „dem Volk“ suggerieren: Eigentlich bin ich einer von euch!
Sich zur Elite zu bekennen, ist unpopulär geworden. Soziales Tiefstapeln ist angesagt. Das unterstellt eine Volksverbundenheit, die den real existierenden Eliten immer mehr abhandenkommt. Die Analysen des Soziologen und Elitenforschers Michael Hartmann beleuchten das Verhalten von politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern in Zeiten des Eliten-Bashings. 

Wer dazu gehört

Die Zahlen für Deutschland sind eindeutig: In den vergangenen zwei Jahrzehnten gab es für das untere Fünftel Reallohnverluste von etwa zehn Prozent, für das obere Fünftel dagegen ein Plus von 16 Prozent. Die größten Zuwächse gab es dabei ganz oben.
Elite sind ja nur ein paar tausend Menschen in Deutschland. Man kann sagen: „Die Eliten, die mehrheitlich aus den oberen vier, fünf Prozent stammen, machen im Wesentlichen eine Politik, von der diese oberen vier, fünf Prozent profitieren“ (Prof. Dr. Michael Hartmann, Soziologe). Die Kritik an „denen da oben“ hat einen realen Kern. Aber wenn Rechtspopulisten an die Macht kommen, führen sie nichts anderes fort, als was ihre Vorgänger getan haben – manchmal in gesteigerter Form. Erst positionieren sie sich gegen das Establishment (Eliten-Bashing), dann schwenken sie auf den alten Kurs. Trumps Steuerpolitik richtet sich nicht gerade gegen die Milliardäre.
Politische Eliten sind jene Personen, die Politik maßgeblich gestalten, in Deutschland etwa 4000 Personen, davon stellen etwa 1000 den harten Kern. Außer der politischen Elite unterscheidet man eine wirtschaftliche Elite, eine juristische und eine Verwaltungselite. Man muss noch eine Medienelite abgrenzen, die allerdings dadurch wirkt, dass sie in der Öffentlichkeit Wirkung erzeugt, also eine indirekte Macht darstellt. Die Digitalisierung hat die Macht der Medien nicht vergrößert, sondern lediglich geändert. Die Medien sind ein Indikator für die Veränderung politischer Verhältnisse.

Der Abstand zu den Eliten ist gewachsen

Das Auseinanderdriften zwischen „denen da oben“ und den „Normalos“ kann man mit Zahlen belegen: Zum Beispiel an den Einkommen in großen Konzernen, genauer am Verhältnis der Managergehälter zu denen der Belegschaft. „Bei den DAX-Konzernen zeigt sich: Bis in die 90-er Jahre haben die Vorstände etwa das 14-Fache der Mitarbeiter verdient. Inzwischen ist es das 54-Fache. Die Kluft hat sich also fast vervierfacht,“ sagt Michael Hartmann.

Rekrutierung aus der Oberschicht

Und wie wird man Mitglied der Elite, muss man in sie hineingeboren werden? Das war nicht nur so in den alten Eliten hierarchischer Gesellschaften, wie man das am Beispiel des Adels kennt, es gilt zum Teil auch in der modernen Gesellschaft bei der Wirtschaftselite. Wer als Mitglied der Familien Quandt oder Aldi geboren wird, hat andere Ausgangschancen als Frau Schmitz oder Herr Meier. Die Politik dagegen hat lange als durchlässigste Elite gegolten. Das ist sie zwar noch immer, aber deutlich weniger als noch vor Jahren. Arbeiterkinder finde man immer seltener in politischen Spitzenpositionen. Etwa 60 Prozent stammen aus den oberen 5 Prozent der Gesellschaft, ein Trend seit den 90-er Jahren.
Am eindrucksvollsten war das Märchen der Gebrüder Grimm vom Gestiefelten Kater als Beispiel dafür, wie man zum Mitglied der Elite wird, auch wenn man nicht der Hellste ist und nur der Letztgeborene eines Müllers und als Besitz bloß einen alten Kater vorweisen kann. Das Märchen belegt alle Vorurteile: Lug und Trug, Tricks und Lüge sind die besten Schmiermittel, die eine Karriere befördern.

Abrechnung mit den Eliten

Wie immer führte ein Eröffnungsvortrag Lissmanns in das Thema des Symposiums ein: „Die Werte der Wenigen. Eliten und Demokratie“. Lissman beschrieb die Kritik an der Elite von Links und von Rechts, ihre Selbstgerechtigkeit, Abgehobenheit, ihre Isolation in einer Blase. Sie akkumulierten den Reichtum der Gesellschaft für sich, seien gierig, eitel, rücksichtslos, unverschämt und bigott. Sie leisteten nicht das, was sie als Grund für ihr Auserlesensein angeben. Sie sind die Urheber der meisten politischen Katastrophen und Skandale. Obgleich selbst ohne Moral, immunisieren sie sich gegen Kritik gerne durch Moralisierung. Zugleich wird die Elite durch andere verteidigt. Sie seien ein Bollwerk gegen die populistische Versuchung und das Unterlaufen der Demokratie, gegen Fake-News und Verschwörungstheorien. Und weil sie prinzipiell offen stünden, verringerten sie die soziale Ungleichheit.

Die Reihe wird fortgesetzt


Kategorie: Analysiert

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