Ich wollte ihr Lebensgefühl verstehen und habe mit einigen dieser Generation gesprochen. Diese Gespräche mit Ihnen und anderen jungen Menschen habe ich als erfrischend offen erlebt, bin innerlich ganz angerührt nach Hause gefahren, weil mir soviel Zutrauen in das Leben entgegenkam. Wie reflektiert diese jungen Erwachsenen sein können, wie klar sie ihre Situation sehen und mit welchem Ernst sie auf das Leben zugehen hat mich erstaunt. Eine erste Erkenntnis:
Trotz allen Wohlstands ist das Leben dieser Generation nicht leichter geworden.
Vielfalt macht Entscheidungen schwerer
Für mich gab es zwischen 20 und 30 Jahren überschaubare Angebote in der Berufswahl, klare Regeln im Umgang mit Anderen, bestimmte Normen, die für alle galten. Wir hatten noch kein Internet, bezogen unsere Informationen aus der Zeitung, dem Radio oder den persönlichen Kontakten. Für mich stand auch nicht die Frage im Raum, in eine eigene Wohnung zu ziehen. Das war jungen Frauen, wenn sie nicht gerade in einer anderen Stadt studierten, nicht gestattet. Die Zukunft, die vor mir lag, erlebte ich als relativ abgesichert.
Heute ist mir in den Gesprächen mit den jungen Menschen deutlich geworden, dass die Vielfalt in allen Lebensbereichen, ob Beruf, Beziehungen, Freizeit etc..die Auswahl und damit auch Entscheidungen viel schwieriger machen. Sie sind herausgefordert, sich realistische Unterscheidungskriterien anzueignen, damit sie für sich aus der Vielfalt der Angebote das auswählen, welches nicht schon in nächster Zeit hinfällig wird. Fast unmöglich erscheint es, sich für eine der vielen religiösen Deutungen zu entscheiden. Es ist nicht einfach, aus den undurchsichtigen spirituellen Ausrichtungen Orientierung für ihr eigenes Leben abzuleiten. Die Social Media verstärken diese Schwierigkeiten. InfluenzerInnen, sowie die schnelle eher oberflächliche Kommunikation in den Medien hinterlassen auf allen Ebenen einen Konsumbedarf, der viel Verwirrung stiftet. Das betrifft alle Lebensbereiche. Mir wurde in den Gesprächen klar, dass sie sich nur dann hilfreich für das eigene Leben entscheiden können, wenn sie bereits einigermaßen sicher zu der Erkenntnis gekommen sind, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen. Denn fehlt ihnen diese Orientierung, kommt schnell das Gefühl auf, sich nicht optimal entschieden zu haben. Unsicherheit, schleicht sich in die Seele, die Abhängigkeiten unterstützt.
Unsicherheit auf vielen Ebenen
Die Frage nach Sicherheit hat sich zu meiner Zeit weniger gestellt. Wir waren ziemlich zuversichtlich, wollten raus in die Welt, möglichst schnell vom Elternhaus unabhängig werden. Jobsuche, Partnerwahl, Wohnungssuche waren eher unproblematisch. Das Gefühl, sich am gesellschaftlichen Bruttosozialprodukt zu beteiligen, hat auch einen ganz gesunden Ehrgeiz in Gang gesetzt. Die Wirtschaft florierte, es ging aufwärts. Ökologie spielte damals noch keine Rolle. Wir hatten keine Migrantenprobleme, Gastarbeiter aus Italien und Spanien haben wir mit Kusshand aufgenommen, weil sie uns beim wirtschaftlichen Aufbau unterstützten. Die, die bleiben wollten haben sich gut integriert, die anderen sind später wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Die Generation Z hat nicht nur mit der Migrationsproblematik zu tun, sondern auch mit den Auswirkungen des Lebensstiles meiner Generation. Wir hinterlassen ihnen mit den Auswirkungen unseres Wohlstandes eine desolate Zivilisation, die belastend ist. Bei aller Unübersichtlichkeit, allen Belastungen und Zukunftsbefürchtungen, diese Generation orientiert sich an Werten.
Werte als Orientierung
Über Wertvorstellungen habe ich in diesem Alter wenig reflektiert. Mir war der Erfolg in meinem Beruf und dann meine eigene Familie wichtig. Über tieferliegende Wertvorstellungen mussten wir nicht nachdenken. Diese galten als gesetzte Normen. Überrascht war ich deshalb, dass bei den jungen Erwachsenen Werte eine entscheidende Rolle spielen. Freundschaft steht an erster Stelle, für die diese Generation auch Zeit haben will. Beziehungen sind fragil und brauchen Pflege, deshalb muss es für sie einen Ausgleich zwischen gebundener Arbeitszeit und freier Zeit geben, - die Work-Live- Balance. Da tritt der berufliche Erfolg ein wenig in den Hintergrund. Die Herkunftsfamilie rangiert an zweiter Stelle. In sie kann man immer wieder zurückkehren, wenn es „draußen“ nicht klappt, wenn Beziehungen kaputtgehen oder das Studium geschmissen wird. Es ist der sichere Hafen, auf den sich diese jungen Menschen verlassen können und wissen, dass sie dort auch gerne wieder aufgenommen werden. Allerdings ist ihnen gleichzeitig die eigene Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung wichtig, die sie brauchen, um Selbststand zu entwickeln. Ich habe aus ihren Äußerungen verstanden, dass je unabhängiger sich der Einzelne von der Meinung anderer fühlt, er nicht von der Zustimmung aus den sozialen Medien abhängt, desto freier kann er sich mit seinen Lebensvorstellungen verwirklichen. Die Medien haben dann keine bestimmende Macht mehr auf die Entscheidungen der eigenen Person. So können sie für sich einen relativ sicheren Boden schaffen, um ihr individuelles Lebenskonzept darauf aufzubauen Dabei ist ihnen die Stütze der Freunde wichtig. Dem Sog der sozialen Medien erliegen wohl eher die jungen Menschen, die noch nicht auf eigenen Füßen stehen und daher von der Anerkennung anderer und dem massiven Einfluss der Medien abhängig bleiben. Mich interessierte auch die Frage, ob diese Generation noch an etwas glaubt.
Beten
Auch wenn die Kirche als Institution fast keine Rolle mehr im Leben der jungen Menschen spielt, sind sie nicht ungläubig. Sie beten sogar. Ich fand es erstaunlich, dass für sie das Gebet präsent ist, wenn es um etwas Wichtiges in ihrem Leben geht. Wenn eine Klausur ansteht, oder ein größeres Ereignis sich anbahnt, dann beten sie um das Gelingen. In ihren Vorstellungen gibt es eine größere Ordnung, die über oder hinter allem steht, die größer ist als wir Menschen es denken können. Eine Schöpfermacht, die da ist, auch wenn nicht jeder Gott dazu sagen würde. Die Vorstellungen sind sehr unterschiedlich, so vielfältig wie die religiösen Strömungen, die wir in unserer Gesellschaft beobachten können. In welcher Beziehung dieses Größere zum Menschen steht bleibt allerdings im Ungewissen.
Link: Die für religiöse Gemeinschaften weiterführenden Gesprächsergebnisse hat Eckhard Bieger herausgearbeitet. Orientierung in einer als haltlos erlebten Welt und die Frage, wie man aus den verschiedenen religiösen Wegen den zielführenden auswählt, um die Macht über uns“ näher zu kommen: Religion: Die Generation Z
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