Wer schon einmal in New York war, kennt die Schlangen, die sich an den Abfertigungsschaltern bei der Ankunft am Flughafen bilden. Da können Stunden vergehen. Wer schnell durchkommt, hat Glück, wer ohne Beanstandung das Flughafengebäude verlassen kann, ist erst einmal froh. Schwierig wird es, wenn nach langer Wartezeit bei der Kontrolle nachgehakt wird und man zur Überprüfung der Personalien in einem Untersuchungsraum Rede und Antwort stehen muss.
Ausgangssituation seines Romans „Das Ding“ ist für Jürgen Neffe seine Einreise in die USA, viele Jahre nachdem er als Auslandsjournalist in New York zu tun hatte. Am Flughafen wird er an der Passkontrolle festgehalten und muss die willkürliche Untersuchungs-Prozedur über sich ergehen lassen.
Diese Situation wählt der Autor, als Rahmen seiner Erzählungen in seinem neuen autobiographischen Roman „Das Ding“. In den Stunden dauernden Verhören, dem abgeschlossenen Hotelzimmer ohne Fenster, kommen seine Erfahrungen aus vergangener Zeit hoch, als er als Auslandskorrespondent für den Spiegel in New York arbeitete. Neffe erzählt von den Begegnungen mit Trump, der damals noch Immobilienmogul in New York war, von den Superreichen, den Journalisten, die immer gerne den anderen für sich einnehmen, vom persönlichen Kontakt in Washington mit Clinton, dem damaligen Präsidenten und von dem faszinierenden „Hüter der Flamme der Freiheitsstatue. Zur Geburtstagsparty im Trump-Tower war er eingeladen und schildert, was auf den einzelnen Stockwerken zu beobachten war. Er verheimlicht nicht seine eigene ausgeprägte Souvenir-Kleptomanie, die ihn schon aus Kindheitstagen verfolgt. Er erinnert sich in dieser Ausnahmesituation der Verhöre, die von Willkür und Macht gekennzeichnet waren, auch an seine Kindheit, seine Herkunft, seine Erziehung, spürt wie die Gefühle der Ohnmacht, die er in der Beziehung zu seinem Vater erlebte, wieder hochkommen. Neffe eröffnet dem Leser einen kleinen Blick in seine psychische Verfasstheit und seine Lebensdeutung. Er beschreibt, was ihn an den Erinnerungsstücken, die er „mitgehen“ lässt, fasziniert, wie er damit umgeht und wo er sie aufhebt. Seine Ehrlichkeit ist erfrischend, gleichzeitig befremdlich. Sie ermöglicht, den Menschen Neffe besser zu verstehen. Das Geheimnis, was das Ding ist, lüftet er nur teilweise.
Es geht um drei Charakterprofile, die sich durch die Episoden des Romans bewegen und die nicht unterschiedlicher sein könnten. Da ist der überbordende, exzentrische, narzisstische Immobilienhai Trump, der mit seinem Reichtum und seiner Unmäßigkeit prahlt. Dann der bescheidene, kleine, eher schüchterne Leuchtturmwächter Charlie, der wie ein Eremit mit seiner Freiheitsstatue lebt und eines Tages gefeiert wird, wie ein Held. Aber auch der Autor selbst, lässt Einblicke in seinen Charakter zu, indem er zu erkennen gibt, was ihn mit den einzelnen Menschen verbindet oder befremdet.
Mit Abstechern in die Geschichte, die Politik, in mafiöse Strukturen beleuchtet er den Hintergrund dieser Stadt, die niemals schläft.
Für diejenigen, die die Stadt schon einmal besucht haben oder dort leben, ist der Roman ein Ausflug in persönliche Erfahrungen. Der Leser wird zu den vielen Schauplätzen geführt, an denen der Erzähler verweilt.
Das Buch lässt sich leicht lesen, hat auch Spannungselemente, so dass die Neugier überwiegt, wie sich die verschiedenen Momente - „Dinge“ auflösen. Wer sich gerne mit Personenprofilen beschäftigt, findet in dem Roman vielfältige Aspekte.
Das Ding, Der Tag, an dem ich Donald Trump bestahl, 239 Seiten, 2020 bei Europa-Verlag, München
Kommentare (0)
Keine Kommentare gefunden!