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Wie viel ist unser Like wert?

Mit Facebook, Twitter und unserer Aufmerksamkeit anstatt mit Geld bezahlen. Für Unternehmen sind sie wahres Geld wert: Unsere Facebook-Likes und Twitter-Tweets über Produkte oder Dienstleistungen. Jetzt drehen Anbieter wie der „Like-Shop“ oder „Pay with a tweet“ den Spieß um und bieten Kunden die Möglichkeit, per Like oder Tweet zu bezahlen. Denn die Unternehmen haben erkannt, dass das höchste Gut heute unsere Aufmerksamkeit ist. Und wie könnte man diese einfacher bekommen, als über unsere Brieftasche?

Eine hohe Anzahl an Likes und Klicks ist für viele Unternehmen bei den sozialen Netzwerken eines der obersten Ziele. Doch aufgrund der Fülle der Angebote macht sich bei den Usern eine gewisse Müdigkeit breit und das Wachstum kommt an seine Grenzen. Daher werden jetzt neue Wege versucht, indem die Aufmerksamkeit der Kunden über ihre Brieftasche erreicht werden soll. Für einige Aufmerksamkeit sorgte zuletzt der „Like Shop“ des Modeanbieters Strellson. Dort konnte man im Rahmen einer persönlichen Social Media – Kampagne Poloshirts für 50 Likes, Hosen für 80 Likes und eine Lederjacke für 500 Likes erhalten. Das Besondere: Interessierten sich mehrere Kunden für das gleiche Produkt bekam nur derjenige Kunde, der als erste das Likeziel erreicht hatte, den Zuschlag. Eine moderne Form des Pawlowschen Gesetzes. Und für den Anbieter scheint es sich gelohnt zu haben, der Shop ist derzeit „sold out“ und kündigt an, bald mit neuen Produkten weiterzumachen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch „pay with a tweet“. Hier kann der User neben Twitter auch mit Facebook, Google+, XING und Linkedin „bezahlen“. Der Dienst bezeichnet sein Angebot als „Social Media Paywall“ und bietet dem Verkäufer folgendes Angebot: „Deine Kunden erhalten exklusive Inhalte wie Rabatt-Codes, E-Books oder Musik, nachdem sie deine Marke innerhalb ihrer sozialen Medien empfohlen haben.“ Laut eigenen Angaben nutzen Unternehmen wie Starbucks, BBC, Universal und das Magazin t3n den Dienst.  

Und was halten die Kunden davon? Die positive Resonanz auf die ersten Angebote zeigt, dass viele Kunden mittlerweile bereit sind, ihr eigenes Profil und ihren Freundeskreis auch für ihren finanziellen Nutzen einzusetzen. Was bei Gewinnspielen klappt, wird jetzt aufs Online-Shopping übertragen.

Flexible Bezahlmodelle wachsen – das digitale Abo steckt noch in den Kinderschuhen

Die jüngste Untersuchung des Digital News Reports 2017 von Reuters Instituts und der Oxford Universität zeigt, dass in den 36 Ländern, in denen Anfang des Jahres 70.000 Online-User vom YouGov - Meinungsforschungsinstitut befragt wurden, die Online-Zahlungsbereitschaft für digitale Inhalte wächst. Vor allem bei jungen Usern unter 35 Jahren. Deutschland hängt dabei der Entwicklung aber (noch) deutlich hinterher. Während im internationalen Durchschnitt zehn Prozent der User für digitale Abos und 13 Prozent für Einzelartikel Geld ausgeben, sind es in Deutschland nur drei Prozent (Abos) bzw. unter 10 Prozent (Einzelartikel). Spitzenreiter ist derzeit Norwegen (26 Prozent).

Die neuen Ergebnisse belegen den Trend und die „gefühlte Wahrheit“: Die Kunden wünschen sich vor allem flexible Zahlungsmodelle, in denen sie selber den Umfang festlegen können. Beim Dienst „Laterpay“, der in den USA und Deutschland tätig ist, haben die Kunden die Möglichkeit, Produkte per Einzelkauf, Zeitpass oder Abo zu kaufen. Der Dienst, der nach eigenen Angaben in Deutschland beispielsweise von Spiegel Plus, G + J, GEO und der Frankfurter Rundschau genutzt wird, bieten den Kunden die Option „Jetzt lesen – später zahlen“. Der Kunde klickt sich auf einer Website verschiedene Angebote zusammen, kann sie sofort konsumieren und zahlt erst, wenn der Betrag fünf Euro übersteigt. Ein interessanter Ansatz, vor allem wenn man diesen weiterdenkt und ein zukünftiger Account für die Angebote mehrere Medienhäuser gemeinsam genutzt werden könnte. 

Qualitätsjournalismus ist sein Geld wert

Eins zeigen die Entwicklungen allerdings auch: So ehrenhaft die Versuche waren, die User zum Abschluss eines digitalen Abos mit langfristigen Einnahmen zu bewegen, scheint der Versuch doch vorerst gescheitert. In den letzten Jahren ist der Anteil der digitalen Abos in Deutschland zwischen drei und fünf Prozent konstant niedrig. Dass User bereit sind für qualitativ hochwertige Angebote zu zahlen, zeigen Musik- und Video-Streamingdienste, deren Nutzungszahlen weiter steigen. Doch scheinbar hat sich zumindest in Deutschland noch nicht der Erkenntnis bei den Usern durchgesetzt, dass es auch bei deutschen Medienhäusern und Verlagen qualitativ gute journalistische Angebote gibt, für dies es sich lohnt zu zahlen. Auch um die Unabhängigkeit der Medien vor großen Investoren wie im Fußball oder die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses mitzufinanzieren. Doch das kann noch kommen, wenn deutsche Medienhäuser und Verlage an einem Strang ziehen und ein gemeinsames digitales Bezahlsystem etablieren, welches für die Kunden einfach und flexibel nutzbar ist.
 
Qualitätsjournalismus als Mittel gegen Fake News!

Es gibt zum Schluss aber noch eine gute Nachricht für all diejenigen, die sich wie der Autor dafür einsetzen, dass für guten Journalismus, auch im Web und in den Social Media, bezahlt werden muss. Nach den US-Wahlen ist der Anteil der User, die bereit ist für Qualitätsinhalte zu zahlen, im Vergleich zum Vorjahr von neun Prozent auf 16 Prozent gestiegen. Qualitätsjournalismus als Mittel gegen Fake News wird dort immer wichtiger, vor allem in den Social Media. In den USA trauen drei Viertel der User den Nachrichten in Facebook, Twitter & Co. nicht mehr. Hier sollte der Qualitätsjournalismus die Lücke füllen!

Christian Schnaubelt
(Ressortleiter digitalisiert)


Kategorie: Digitalisiert

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