Hand Gottes, Schwarzrheindorf, Foto: hinsehen.net E.B.

Wie ich bete

Jeder betet anderes. Das war die Erkenntnis, nachdem wir uns zu Fünft erzählt haben, wie wir im Beten Gott sehen. Manches wird erst bewusst, wenn man es erzählt. Wenn man anderen zuhört, entdeckt man noch mehr bei sich. So naiv und oberflächlich sind wir gar nicht im Beten. Hier beschreibt Sonja Bayer, wie sie ins Beten kommt.

Wenn ich abends in meinem Zimmer sitze und über den Tag nachdenke, beginne ich zu beten. Manchmal bemerke ich das gar nicht - es ist mehr ein Selbstgespräch, das ich anfange und irgendwann fällt mir auf, dass ich über meinen Tag rede: Was fand ich schön, was hat mir nicht gefallen? Dann stelle ich fest, dass Gott mir zuhört. Er hört mir zu, weil er sich dafür interessiert, worüber ich mich freue, was mich bedrückt. Vielleicht interessiert es ihn manchmal sogar mehr als mich selbst, wie mein Tag war und was ich dazu denke.

Ich überlege dabei auch, was ich hätte besser machen können, wie ich es das nächste Mal besser machen kann. Besonders in der Zeit, in der keine Gottesdienste stattfinden konnten, hat mir das geholfen, meine Verbindung zu Gott nicht aus den Augen zu verlieren. Ich fing an, jeden Abend an meinem Schreibtisch den vergangenen Tag zu reflektieren, zum Beispiel, wem ich heute etwas Gutes getan und ob ich Nächstenliebe gezeigt habe. Das gibt meinem Alltag insgesamt ein wenig Struktur.

Ich fühle mich durch meine Selbstgespräche und Reflexionen mit Gott verbunden. Ich hoffe, dass Gott mich von dummen Ideen abbringt und mich nicht denselben Fehler zweimal machen lässt. Außerdem entsteht dabei für mich ein Gefühl von Geborgenheit. Der Gedanke, dass Gott uns Menschen liebt, dass Jesus für uns gestorben ist, dass uns unsere Sünden vergeben werden können, wird mir bewusst.

In der Kirche bete ich anders: Da sehe ich mich um, was mir bis jetzt noch gar nicht aufgefallen ist, und ich denke nach, ob sich in der Kirche seit meinem letzten Besuch etwas verändert hat. Ich werde mir der Anwesenheit Gottes bewusst. Ja, er ist immer da, aber ich bemerke es selten und denke kaum darüber nach. In der Kirche habe und nehme ich mir die Zeit, mich damit zu beschäftigen.

Gebete beschränken sich für mich nicht auf Bitten oder Dankesworte an Gott. Alle bewussten Interaktionen mit Gott sind für mich Gebet. Ich kann verbal und nonverbal beten: Für mich umfasst Gebet meine bewussten Selbstgespräche und Tagesreflexionen, wenn ich spüre, dass Gott sich für meinen Alltag interessiert und dass er mir hilft. Und ich kann mir Gottes Gegenwart bewusst machen, wenn ich mich hinsetze und mir Zeit für ihn nehme, zum Beispiel in einer Kirche.


Kategorie: Entdecken

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