Theater Czernowitz

Kosten des Nationalismus: enorm

Deutschland diskutiert über den Wahlerfolg der AfD. Die Journalisten und viele ihrer Leser und Zuhörer sind überzeugt, dass die Parteien daran schuld sind. Aber sind nicht die Wähler auch leichtsinnig. Hat der Nationalsozialismus nicht enorme Kosten verursacht. Und was bringt den USA „America first“?

Der deutsche Nationalsozialismus hat das frühere Reichsgebiet um 20% verkleinert und 6 Millionen Flüchtlinge erzeugt. Auch heute will man den Deutschen einreden, es sei viel zu gewinnen, wenn man "sich auf die Nation besinnt". England, die USA und Katalonien zeigen gerade, wie Nationalismus funktioniert und ob er sich rechnet. Man muss das Experiment nicht abwarten. Die deutschen Verluste reichen, um ein solches Experiment zu beurteilen:

Nicht nur Land verloren, sondern auch Kultur

Der Verlust von Schlesien und Ostpreußen und die großen Flüchtlingszahlen sind noch im Bewusstsein. Aber dass z.B. nicht nur die Sudetendeutschen Böhmen verlassen mussten, sondern auch die in der Slowakei angesiedelten, noch Deutsch Sprechenden, ist schon meist aus dem Blickfeld verschwunden. Dann die Siebenbüger  Sachsen und Schwaben, die Wolgadeutschen, die Deutschen aus der Donaumündung, die nach Kasachstan Umgesiedelten. Schließlich die Millionen Juden. 

Das Foto vom Theater in Czernowitz zeigt die Wiener Ursprünge

Deutscher Kultur um 1.000 km zurückgezogen

Wer einmal nach Lemberg oder Cernowitz fährt, kommt nicht irgendwo im Osten an, sondern in österreichischen Städten. Heute werden sie fast nur noch von Ukrainern bewohnt, früher lag der deutsche wie der jüdische Bevölkerungsanteil bei jeweils 20%. Die Kultur war habsburgerisch-deutschsprachig geprägt. In Czernowitz, eigentlich wie Moldawien dem rumänischen Sprachraum zugehörig, gab es eine deutschsprachige Universität. Rose Ausländer und Paul Celan, dort geboren, schrieben deutsche Literaturgeschichte. Zwischen Lemberg und Frankfurt a.O. sind es 860 km, zwischen Czernowitz und Wien 1008 km.

Mehr als die Reparationen

Die Bilanz an Land- wie an Menschenverlusten, an verlorener kultureller Präsenz und an Begabungen jeder Art steht kein erkennbarer Gewinn gegenüber. Zwar haben die Flüchtlinge den Wiederaufbau Deutschlands tatkräftig unterstützt, jedoch hätte Deutschland sehr viel mehr gewonnen, wenn sie an ihren Wohnorten geblieben wären. Den Flüchtlingen ist tatsächlich ein großer Teil des Wiederaufbaus und seiner Dynamik zu verdanken, weil sie nicht wie die Westdeutschen auf Grundbesitz zurückgreifen, sondern nur mit ihrer Hände Arbeit "Boden unter die Füße" bekommen konnten. Würde man versuchen, diese Verluste an politischem und kulturellem Einfluss, an entgangener Kreativität und kultureller Präsenz in DM oder jetzt in Euro umrechnen, wäre jeder Bundeshaushalt bereits ausgegeben.

Nur Export schafft Reichtum

Im Blick auf England und die USA kommt man zu der Einsicht bereits der mittelalterlichen Kaufleute zurück, dass Reichtum nicht so schnell und so umfänglich wächst wie durch den Export. Eine starke Exportorientierung entfaltet zudem die größere Innovationskraft. Wer sich aus dem Export zurückzieht, verliert den Anschluss. Ein drastisches Beispiel sind Russland wie auch Saudi Arabien. Sie exportieren zwar Rohstoffe, jedoch nicht Selbst-Produziertes. Auch für Russland gilt: Europäische und japanische Automarken, Küchenmaschinen, Fotoapparate, Parfums. Das Kaufhaus GUM, direkt am Kreml, reiht nur westeuropäische Modemarken, japanische Kameras, amerikanische bzw. südkoreanische Handyanbieter entlang der schmalen Gänge auf. Wenn der Ölpreis fällt, gibt es keine Alternativen für den Export. Die Kosten des Nationalismus wären nur durch Export bezahlbar. Der geht aber durch nationale Abgrenzung zurück.

Die Deutschen sollten ihre Geschichte nicht vergessen.

Deutschland hat für seinen Nationalismus vor allem im Osten “bezahlt“. Dort haben die deutschen Armeen wie die SS- und Polizeieinheiten auch die größten Verbrechen begangen. Faktisch sind die Gebiete, die bis zum Nationalsozialismus kulturell deutsch geprägt waren, aus dem deutschen nationalen Bewusstsein verschwunden. Aber warum nimmt Deutschland nicht die Tradition der mittelalterlichen Kaufleute auf, die nicht auf die Waren aus dem Osten gewartet haben, sondern selbst nach Nowgorod und Kiew aufgebrochen sind. Warum so viel Sorge für Griechenland und nicht für die Ukraine. Warum dauert eine Zugfahrt nach London nur 7 Stunden, nach Kiew aber 34 Stunden und das für die Gütertransporte. Wenn England sich auf seine Insel zurückzieht und die Türkei die deutschen Werkbänke für Autozubehör und Textilien vertreibt, dann könnten doch, über die EU-Grenzen hinaus, Moldawien, die Ukraine, Weißrussland neu entdeckt werden. Viele Wurzeln deutscher Kultur ließen sich wiederbeleben und den nationalistisch eingestellten deutschen Wählern könnte eine Blickerweiterung geschenkt werden, die sie wieder stolz auf ihre Kultur sein lässt. Nicht nur ein Rat an Gauland und Weidel: Einfach mal nach Lemberg und Czernowitz fahren. Das verändert die Außenpolitik und hält von der Rehabilitation des Nationalismus ab

 

Bekannte Persönlichkeiten aus Czernowitz


Kategorie: Analysiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang