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Um uns droht das Nichts?

Ich habe den Willen zu leben, morgen noch und weiter. Diesen Willen brauche ich, sonst falle ich ins Nichts. Mobbing und Krieg drohen mir damit. Ich soll nicht mehr existieren. Ich muss, ich will nicht dem Nicht-Mehr anheimfallen. Was wird aus dem Nichts, in das Mobbing und Krieg treiben?

Der Beitrag setzt die Überlegungen fort, sich von der Nichtigkeit des Krieges und der Zerstörung nicht unterkriegen zu lassen. Die Aussage dieses Beitrag findet sich bereits im Titel: „Nur das Gute bleibt am Ende übrig.“ Bleibt am Ende von dieser Welt nicht doch das Nichts übrig? Oder wo geht es hin?

Ich will morgen etwas in mir haben, was dann noch da ist. Sonst verschluckt mich die Vergangenheit. Wohin „fällt“ der Soldat, wenn er durch eine Kugel zum Gefallenen wird? Was wird auch aus mir? Zu einer möglichen Antwort braucht es einige Schritte.

Die Zeit beinhaltet Vergänglichkeit

Die Zeit erleben wir mit dem Nichts verquickt. Nicht nur ist die Zeitung von gestern veraltet, auch Häuser können abgerissen werden. Selbst die Erdplatten sind nicht mehr da, wo sie vor Millionen Jahren waren. Alles, auch ich, sind neben dem Nicht-Mehr gebaut. Wir können unterschiedlich auf das Vergehen der Zeit reagieren. Für die einen schafft das Vergehen Zeit für Neues. Dem misstrauen andere. Sie wollen bei dem bleiben, was sich bewährt hat. Denn von dem, was neu, anders werden soll, weiß man noch nicht, ob es das Versprechen einlösen wird, mit dem es auf den Weg geschickt wurde. 
Aber, ob für Neues oder für Erprobtes, die Zeit verändert alles, selbst Gebirgszüge können sich nicht dem fließenden Wasser widersetzen, welches Täler in sie eingräbt. Was macht aber die Zeit. Sie gebiert sich immer neu aus der Vergangenheit. Wir müssen jedoch das, was heute noch ist, zurücklassen. Damit es nicht ganz verloren geht, schreiben wir Chroniken und bauen Museen. Dazu eine einfache und zugleich schwierige Überlegung:

Die Zeit lässt Vieles ins Nichts gehen

Der Gesang der Amsel und der Klang eines Sinfonieorchesters von gestern gibt es heute nicht mehr, auch die Brötchen, die wir gegessen haben. Wir wissen jedoch, dass etwas bleibt, so das Sinfonieorchester und der Bäcker. Gibt es einen so widerstandsfähigen Kern, dass die Zeit ihn nicht wegfräsen kann? Wir denken so. Es bleibt etwas, das nicht wie der Klang meiner Stimme oder ein Brötchen, das ich gegessen habe, einfach nicht mehr da sind. Wie aber bin ich da? Oder der Berg, der noch lange nach mir das Tal überragen wird. Beim Berg sehen wir das so: Er vergeht nicht, jedoch die Wolken über ihm. Ich selbst bleibe, nur mein Hunger vergeht, wenn ich etwas gegessen habe. Aristoteles hat daraus gefolgert, dass etwas bleibt, an dem sich eine Veränderung vollzogen hat, der Berg kann in verschiedene Wolken wie auch in das Sonnenlicht eingetaucht werden, ich kann hungrig wie auch satt sein. Das Bleibende heißt im Lateinischen Substanz, “sub-stare” für unter, für das, was unter der Vergänglichkeit steht. Das ist das, was sozusagen an die Substanz angehängt ist, was wieder weggeht. Es wird Hinzukommendes, Akzidenzien genannt. Weil es nur hinzugekommen ist, kann es auch wieder gehen, während die Substanz bleibt, also ich in meiner Substanz auch. Aber ist es tatsächlich so? Muss nicht jede Sekunde der Berg oder unser Körper neu da sein, denn das Gestrige ist doch in das Nicht-Mehr gefallen. Heraklit hat das vor 2.000 Jahren auf die Formel gebracht: “Niemand steigt zweimal in den gleichen Fluss”. Was gilt für den, der nicht mehr da ist. An meinem Körper wird das noch deutlicher. Spätestens nach 7 Jahren sind alle Zellen in meinem Körper durch neue ersetzt. Aus Leben entsteht neues Leben. Dieses Leben hat sich über Milliarden Generationen immer höher entwickelt. Wir waren wohl das Ziel dieser Entwicklung, weil wir darüber nachdenken können.

Nichts in diesem Weltall bleibt, wie es ist

Die Physik kommt von ihren Forschungsergebnissen zu der Schlussfolgerung: Alles verändert sich ständig. Selbst die Atome haben in sich Bewegung. Das Elektron dreht sich um sich selbst, es hat einen Spin. Im Weltall entstehen neue Sterne, kollabieren, verschwinden in einem Schwarzen Loch. Wie leben in einem Weltall, das sich ständig ausdehnt und deshalb mit dem Urknall angefangen haben muss. Noch schwieriger ist die Vorstellung, dass die Grundsubstanz nicht Materie ist, sondern Energie. Energie hat die Tendenz sich, z.B. in Form von Lichtstrahlen, auszudehnen. Es bleibt jedoch die gesamte Energie erhalten, auch wenn sie in einem ständigen Fluss ist. Diese Energie muss im Urknall schon enthalten gewesen sein. Vielleicht ist sie “ewig”, Sie bildet damit Sterne und auch unsren Körper. Wir können nicht sagen, was aus ihr wird. Vielleicht zieht sie sich zusammen und bildet einen neuen Kosmos. 

Gott ist nicht wie ein in sich ruhender Berg

Überträgt man diese Überlegungen auf Gott, dann trifft die Vorstellung nicht mehr zu, Gott sei wie ein Berg, der in sich ruht, von nichts berührt werden kann und einfach auf diese Welt schaut. Wir denken, wenn diese Welt sich ständig ändert, müsste es einen Gegenpol geben, der nicht dem Abrieb der Zeit unterworfen ist. Aber hat Jesus von Gott so geredet? Und warum schafft Gott eine dynamische Welt, wenn er unbeteiligt, in sich reglos existiert. Gott wäre dann deshalb Gott, weil er sich nicht verändert. So ähnlich war wohl das griechisch-römische Verständnis von Unsterblich-Werden. Götter und dann später auch Kaiser wurden zu einem Stern. Noch heute heißen die für die Menschen damals großen Sterne Saturn, Zeus, Venus, Merkur.
Kommt dann die Vorstellung Gott näher, dass er immer im Werden ist? Allerdings ist das nur unsere Vorstellung. Wir können Gott nur in der Zeit denken. Dann liegt es nahe, dass er wie ein Stein vom Wasser umspült in einer umfassenden Wirklichkeit unveränderlich existiert. Wenn er aber in einer Wirklichkeit, die nicht zeitlich ist, nicht ein unveränderlicher Klotz ist, dann ist der Himmel nicht langweilig. Wir erleben dort Zeitlosigkeit als höchste Lebendigkeit. Oder warum bleibt das Weltall nicht bei Energie und Atomen stehen, sondern baut so etwas wie Gehirn und das noch als lebendig. Moses hatte eine solche Vision. Die Stimme aus dem Dornbusch nennt sich Jahwe – Ich bin der Ich bin. Ich bin nicht als Stein da, ich bin wie loderndes Feuer, nicht der Hölle, sondern der Zuwendung.  Auf diese Spur hat mich eine Zeile in dem Buch über Gott gefunden, das 24 Philosophen als Autoren hat:

Wie dann Gott denken? In den kurzen Texten zur Frage “Was ist Gott?” fand ich in Nr. XVII folgende Überlegung: Gott ist in sich selbst vollkommen. Er kann nicht durch ein Akzidenz vollkommener werden. Trotzdem ist er nicht in sich starr ruhend „er erkennt sich selbst, weil er sich zu sich selbst erzeugt,“ im lateinischen Text „seipse seipsum intelligit quia ipsum ad ipsum generat.“ Gott ist in sich zeugend. Sollen wir als Menschen nicht auch vom Kind durch die Phasen unseres Lebens zu uns selber werden?

Mit unserem Vorstellungsvermögen bleiben wir der Zeit verhaftet und können Gott nur wie eine Substanz denken, die nicht vergeht, während unsere Tage gezählt sind. Umfasst Gott aber alles, dann sind wir in einer Bewegung hineingenommen, die uns vor dem Nicht-mehr-Sein bewahrt. Wir wären in einer umfassenden Bewegung aufgehoben, die die Zeit in sich aufbewahrt. Die Zeit vergeht, damit sie in diese Bewegung, die nicht mehr zeitlich ist, überwechseln kann. Wir wären dann nicht vom Nichts umgeben, sondern in einer uns umfassenden Wirklichkeit.

Darauf deutet ein Satz in dem mittelalterlichen Text "Was ist Gott?" hin  “Gott hat das Nichts in sich eingeschossen“. Im lateinischen Text steht „incarceratur“, eingekerkert. Er wäre dann umfassender als das Nichts. Dieses Nichts ist nicht „nichtend“, sondern Ermöglichung von Schöpfung. Gott ruft aus dem Nichts Neues hervor. Das würde heißen, dass Gott die Vernichtung durch Mobbing und Gewalt umfängt, um daraus Neues entstehen zu lassen. Das nennt Jesu „Gottes Reich“. Das ist kaum zu denken und übersteigt unser Vorstellungsvermögen.

Link „Nur das Gute bleibt am Ende übrig“.

Über das Nichts als Ermöglung von Neuem folgt eine weiterer Beitrag

Buchhinweis: "Was ist Gott, Das Buch der 24 Philosophen" erschienen bei C.H. Beck Die Lektürte lohnt sich, nicht zuletzt durch die umfassenden Erklärungen der einzelnen Texte durch Kurt Flasch. Die Weiterwirkung auf Meister Eckhart u.a. erklärt diese Autoren in ihrem Denken. 


Kategorie: Verstehen

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