Nur das Gute bleibt am Ende übrig

Sind wir Verlierer, weil die Gewalt das letzte Wort zu haben scheint? Steht auch am Ende der Kriegsgott, dem so viele Menschen- und Geldopfer dargebracht werden, als Sieger da? Müssen wir resignieren? Oder bleibt am Ende doch das Gute?

Mobbing, Unterdrückung, Krieg erleben wir als Niederlage. Nicht nur, wenn wir besiegt werden sollten. Der Krieg ist in sich schon eine Niederlage, auch für den, der ihn gewinnt. „Man kann das mit uns machen“ und es macht auch Erhebliches mit uns. Wir dachten, es könne in Europa dauerhaft Frieden geben. In vielen Regionen der Welt konnte man gar nicht auf eine solche Idee kommen. Aber wie soll sich etwas ändern, wenn die Kriegsmüden die Hoffnung aufgeben? Die Friedfertigen müssen sich ihrer Sache sicher werden. Das heißt, das Schema in unseren Köpfen durch ein Neues ersetzen. Das Neue heißt: Das Gute ist nachhaltiger. Das glauben wir aber erst, wenn das Schema „Rivalität“ und „Kampf“ durch ein anderes ersetzt wird.

Wir erzählen uns immer schon von Kriegen

Nicht erst das Fernsehen hat den Kampf, die Wirkung von Waffen, das Töten ins Bild gebracht. Seit Urzeiten stellen sich die Menschen ihr Zusammenleben als Kampf zwischen Überleben und Vernichtetwerden vor. Dieses Schema haben auch die Germanen mitgebracht. In der Edda wird die Götterwelt beschrieben. Die Götter leben nicht in einem friedlichen Himmel, sondern hinter einer riesigen Burgmauer. Sie müssen sich verteidigen. Es gibt noch das Reich der Zwerge und das der Menschen. Auch die Riesen bewohnen ihr eigenes Gebiet, in dem die Götter nichts zu melden haben. Am Ende kommt es zu einem Kampf zwischen Göttern und Riesen, den Odin, der Vatergott, mit seinen Familienmitgliedern verliert. So ähnlich funktioniert die Welt heute noch. Der Krieg wird nur nicht mehr Mann gegen Mann geführt, sondern über die modernste Waffentechnik, die Munitionsvorräte, die Kriegsindustrie. Deshalb bombardiert man die Fabriken und Tanklager, zu biblischen Zeiten hat man die Kornfelder des Gegners angezündet. Das Prinzip ist das Gleiche.

Kriege hören von sich aus nicht auf

Im Rückblick auf die vielen Kriege, die wir in Europa gegeneinander geführt haben, zeigt sich überdeutlich: Kriege beendet man nicht mit Waffen. Es gibt allenfalls einen Waffenstillstand, bis zur nächsten Auseinandersetzung. Meist ist man froh, wenn es wenigstens zu einem solchen Zustand kommt. Dann, so erleben wir es gerade wieder, dient die Phase des Waffenstillstandes zur Auffüllung der Waffenlager. Wir nennen das Nachrüstung. Auch der Verzicht auf Waffen führt nicht zum Frieden. Wenn die Ukraine nicht ihre Atomwaffen an Russland abgegeben hätte, wäre sie zwar nicht im Frieden mit Russland, jedoch nicht so einfach angreifbar. Die Milliarden und die vielen Toten, die dem Kriegsgott geopfert werden, sind reine Verschwendung. Denn der Krieg kostet nicht nur, er zerstört darüber hinaus. Die Menschenopfer genügen dem Kriegsgott nicht, er will auch zerbombten Städte.

Frieden lohnt sich rein rechnerisch

Es braucht keine anspruchsvollen moralischen Forderungen. Die Vorteile des Friedens sind so offensichtlich, dass eigentlich alle, die ihren Vorteil suchen, sich aktiv für den Frieden einsetzen müssten. Sie erliegen aber wohl der Täuschung, der Krieg bringe noch größere Vorteile als der Frieden. Aber auch mit Krieg wird der Friede angezielt, in dem man dann die Beute genießen kann. Europa ist nach den vielen Kriegen mit einer Friedensordnung gut gefahren. Auch die Schweiz hat wie dann auch Europa den Konsens, nicht mehr mit Waffen sein Territorium zu erweitern. Beide Regionen konnten ihren Wohlstand enorm steigern und sind deshalb zum Anziehungspunkt vieler Migranten geworden. Selbst die russischen Oligarchen haben dort ihre Yachten liegen.

Krieg macht den Rivalen stark

Der Konsens scheint innerhalb der Nato nicht mehr zu gelten, seit Grönland strategisch und wegen seiner Bodenschätze zum Objekt der Begierde geworden ist. Jeder kann absehen, dass eine Auseinandersetzung die Konfliktpartner sehr viel kosten wird und zu weiteren Kämpfen, ob mit Zöllen oder mit Kriegsschiffen. Diese Drohungen des US-Präsidenten erzeugen erst einmal das Gefühl der Ohnmacht. Aber was wird aus einem solchen Konflikt herauskommen: Die Rivalen der USA, und das sind nicht die europäischen Länder, werden ihr Gewicht wie von selbst steigern. Vielleicht wird sich auch Europa bei China Unterstützung holen, Lateinamerika tut es schon. Die USA werden den Abstieg ihrer Weltgeltung einleiten, wenn sie sich mit den Europäern anlegen. Das Beispiel führt nicht nur zu der sicheren Abschätzung, dass das nicht gut ausgehen kann. Es frisst auch die geistigen Fundamente an, auf denen die Gründerväter den Staat aufgebaut haben.

Kriege zerstören Staaten

Die Vereinigten Staaten, zuerst die 13 englische Kolonien, sind von Europäern gegründet worden, die eine neue Welt aufbauen wollten. Es waren Religionsflüchtlinge, die ihre Religion unbehelligt leben wollten und dafür nicht in bestehende Staaten, sondern in kaum bewohntes aufbrachen. Das konnten sie nicht als Untertanen des englischen Königs und seiner anglikanischen Kirche. Die Nachkommen der Anglikaner werden heute in den USA Episcopalians genannt. Die Verfassung wurde nach den Prinzipien entwickelt, die der englische Philosoph John Locke entwickelt hatte. Die religiöse Gemeinschaftsidee, die Pilgrimfathers u.a. Einwanderergruppen hatten die Ideen für einen neuen Staat aus Europa mitgebracht. Immerhin hat die Gründungsidee bis heute das sehr heterogene Land zusammengehalten und viele Einwanderer integriert. Welche Idee soll die Nation dann zusammenhalten, wenn sie sich von Europa abschneidet. Sie ist jetzt schon tief zwischen den Anhängern der beiden Parteien gespalten. Der Herrscher könnte einen Krieg beginnen, um mit der Konzentration auf einen gemeinsamen Feind das Land zu einigen. Das ist ein Motiv des Ukrainekriegs.
Aus dem America first wird dann America lost. Das ist an Russland zu beobachten. Es hat Jahrhunderte seinen Zusammenhalt aus dem Miteinander von Zar und Patriarch geschöpft. Auf dieser Basis konnte sich das kleine Fürstentum Moskau, nachdem Großfürst Dmitri Donskoi die Mongolen 1380 auf dem Schnepfenfeld gebesiegt hatte, in den folgenden Jahrhunderten in die Gebiete ausbreiten, aus denen sich die Mongolen zurückgezogen hatten. Auf dieser Basis ist die Russische Föderation nach dem kommunistischen Intermezzo wieder aufgebaut worden. Präsident und Patriarch präsentieren sich als die, die das riesige Land zusammenhalten. Aber sie haben einen erheblichen Teil des Landes mit einer gut ausgebildeten Bevölkerung und einem sehr fruchtbaren Boden verloren. Der Patriarch noch mehr als der Präsident. Viele seiner Gemeinden haben sich der neu gegründeten Ukrainisch Orthodoxen Kirche zugewandt. Der Krieg mit der Ukraine wird dieses Fundament, das die Föderation zusammenhält, langfristig zerstören und die Menschen dazu bringen, sich von so etwas wie Institution Kirche abzuwenden. So wie der Niedergang der beiden großen Kirchen in Deutschland durch den Krieg im 17. Jahrhundert eingeleitet wurde. 
Das Moskauer Patriarchat, das größte dieser Kirche, wird geschwächt aus diesem Krieg herauskommen, denn die Ukraine wird sich dem Moskauer Patriarchen nicht wieder unterstellen. Russland hat den Rückhalt der Patriarchen anderer Länder verloren. Ohne tragende Werte zerfällt eine menschliche Gemeinschaft. Kriege zerstören das Wertebewusstsein. So mächtig der Kriegsgott auftritt, so schwach ist er innen.

Wenn der Kriegsgott alles zerstört hat, ist seine Herrschaft zuende

Aufs Ganze gesehen schafft sich der Krieg dadurch selber ab, indem er zerstört, von was er lebt. Jedoch wird das nicht kurzfristig eintreten. So lange Menschen das Zerstörte wieder aufbauen, Kinder großziehen und ausbilden, die Felder bestellen und zur Arbeit gehen, bleibt immer etwas, was andere zerstören können. Wer dem Bösen Neues präsentiert, das zerstört werden kann, kommt nicht aus der Spirale heraus. Jedoch können diejenige, die aufbauen, mit der Überzeugung leben, dass am Ende das Gute übrigbleibt. Die Wirklichkeit auf dieser Erde ist so gebaut, dass es das Böse nur so lange gibt wie das Gute. Das Coronavirus hat das gelernt. Solange es seine Wirte tötete, musste es mit dem endgültigen Verlust seiner Lebensgrundlage rechnen. Deshalb ist es nicht mehr so aggressiv. Dafür brauchte es nur einige Monate.

Das Leben siegt über den Tod. Wer sonst?

 

 


Kategorie: Verstehen

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