Zum Foto: Zuhören in überschaubaren Gruppen, damit jeder und jede zu Wort kommen
So wie die Demokratie vom Volke ausgeht, so auch die Kirche. “Volk Gottes” ist dafür der Begriff. Wie die Entscheidungen in der Demokratie durch Debatten vorbereitet werden, so im Synodalen Prozess durch Zuhören. Hier liegt der Unterschied. Während in der Demokratie die Mehrheit zeigt, wohin der Weg führen soll, suchen die Beteiligten in kirchlichen Entscheidungsprozessen die Wegführung vom Geist Gottes. Entscheidungen kommen nicht zustande, indem Mehrheiten die Richtung bestimmen, sondern indem sich im Zuhören herausbildet, wohin der Geist die kirchliche Gemeinschaft führen will. Es gibt eine Autorität außerhalb des Entscheidungsgremiums, die bereits vorausgedacht hat, in welche Richtung eine Entscheidung führen soll. Gibt es Synoden bereits auf Welt- und Diözesanebene, soll die Methodik bereits auf der Ebene der Kirchengemeinde, eines Verbandes, einer Sozialeinrichtung, einer Schule oder eines Bildungswerkes eingesetzt werden. Vor allem sollen die, die von der Entscheidung betroffen sein werden, bereit in das Zuhören einbezogen werden.
Unterscheidung führt zu Entscheidung
Dieses Herausfinden, wohin der Geist lenkt, verlangt Unterscheidung. Unterschieden werden die Geister, denn es gibt nicht nur den Geist Gottes, sondern auch den Zeitgeist, den Nationalismus, einen Geist der Spaltung. Der Papst betont die Notwendigkeit von “Unterscheidung” immer wieder. Es geht dabei nicht um die Unterscheidung zwischen Katholiken und Protestanten, sondern um den einen Geist, der auch außerhalb der Kirche wirkt, z.B. in vielen NGOs. Unterscheidung ist auch deshalb innerhalb der Kirche notwendig, weil sich überall der Ungeist einnisten kann. Kardinal Bergoglio wurde deshalb 2013 zum Papst gewählt, um den Ungeist aus den vatikanischen Behörden auszutreiben.
Für den Synodalen Prozess auf allen Ebenen sind es Regelungen, die die Beteiligten und vor allem die Amtsträger für den Geist Gottes öffnen sollen. Weiter geht es um die Auswahl der Teilnehmenden. In einem dritten Punkt ist zu klären, was der Geist Gottes eigentlich eröffnet. Für die Ausgestaltung des Synodalen Prozesses sind in Nr. 84 folgende Punkte genannt, die aus den Erfahrungen im Prozess der Synode, der 2021 auf den Kontinenten begann, festgehalten werden konnten:
a) den Gegenstand der Unterscheidung klar darzulegen und Informationen und Mittel zu verbreiten, um ihn angemessen zu verstehen;
b) genügend Zeit für die Vorbereitung im Gebet, für das Hören auf das Wort Gottes und für die Reflexion über die Frage zu geben;
c) eine innere Bereitschaft zur Freiheit in Bezug auf die eigenen Interessen, sowohl persönlich als auch als Gruppe, und eine Verpflichtung zur Verfolgung des Gemeinwohls;
d) Zeit zu lassen, um respektvoll und tief auf die Stimme jedes Einzelnen zu hören
e) die Suche nach einem möglichst breiten Konsens, der entsteht, wenn „unsere Herzen brennen“ (vgl. Lk 24,32), ohne Konflikte zu verbergen oder nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen;
f) die Prozessbegleiter formulieren den Konsens so, dass die Teilnehmer sagen können, ob sie sich darin wiedererkennen oder nicht.
Die Zuhörphase am Beginn ist entscheidend:
Wir sind gewohnt, dass Vorschläge und Projekte ausgearbeitet und dann einem Gremium zur Begutachtung und Entscheidung vorgelegt werden. Der Entscheidung und bereits der Ausarbeitung wird in Gruppe, dem Gremium, der Institution, einem Bistum eine Zuhörphase vorgeschaltet. Diese setzt voraus, dass niemand schon eine Entscheidung mitbringt und diese durchsetzen will. So entsteht ein Gespür für den Geist Gottes. Diese Methodik wird auch „Anhörkreis“ genannt.
Ergänzend kann ich die Beobachtung hinzufügen: ein Zuhörkreis kippt in eine Diskussion, wenn Beobachtungen, Erfahrungen oder Vorschläge von anderen beurteilt werden oder diesen direkt widersprochen wird.
Andere Dynamik bei Abstimmungen: Prozesse, die auf Abstimmung angelegt sind, lenken die Dynamik darauf hin, für meine Idee eine Mehrheit zu gewinnen. Das Auswählen braucht im Synodalen Prozess keine Abstimmung, sondern die Wahrnehmung, ob es mit der Richtung, die der Geist lenkt, übereinstimmt. Das ist mit “Unterscheidung” gemeint. Im demokratischen Prozess geraten diejenigen, die mit dem Vorschlag nicht einverstanden sind, in die Opposition. Sie müssen sich der Mehrheit beugen, im synodalen Prozess hören möglichst alle auf den Geist.
Kriterien für die Unterscheidung: Für das Heraushören des Geistes und Unterscheidung, ob es der Geist Gottes ist, werden mehrere Punkte genannt. In Nr. 85 heißt es:
„Die Unterscheidung entfaltet sich immer in einem bestimmten Kontext, dessen Komplexität und Besonderheiten so vollständig wie möglich erfasst werden müssen. Damit die Unterscheidung wirklich „ekklesial“ ist, sollte sie sich der geeigneten Mittel bedienen. Dazu gehören eine angemessene biblische Exegese, die bei der Interpretation und dem Verständnis biblischer Texte hilft und dabei einseitige oder fundamentalistische Auslegungen vermeidet, die Kenntnis der Kirchenväter, der Tradition und der Lehren des Lehramtes entsprechend ihrer unterschiedlichen Autoritätsgrade, die Beiträge der verschiedenen theologischen Disziplinen und die Beiträge der Geistes-, Geschichts-, Sozial- und Verwaltungswissenschaften. Ohne diese letzteren ist es nicht möglich, den Kontext zu erfassen, in dem und mit Blick auf den die Unterscheidung stattfindet.
Breitere Zusammensetzung der Gremien
Das Dokument erweitert den Kreis der Suchenden. Es sind nicht mehr allein die Bischöfe und ihre Berater, sondern eine breitere Beteiligung ist vorgesehen und mit der Bestätigung durch den Papst auch vorgeschrieben.
Um zu einer guten Unterscheidung zu kommen, wird für die Zusammensetzung der Gruppen und Gremien eine breitere Auswahl der Mitglieder eingeführt, auch Vertreter anderer Konfessionen und Religionen und Menschen, die am Rande leben. On Nr. 106 heißt es:
„Der Besetzung der partizipativen Gremien ist eine hohe Aufmerksamkeit zu widmen und es muss eine stärkere Beteiligung von Frauen, jungen Menschen und Menschen, die in Armut oder am Rande der Gesellschaft leben, gefördert werden. Darüber hinaus ist es von wesentlicher Bedeutung, dass sich diese Gremien aus getauften Menschen zusammensetzen, die ihren Glauben im Alltag leben und die sich erkennbar für ein apostolisches und missionarisches Leben einsetzen, und nicht nur diejenigen, die sich mit der Organisation des kirchlichen Lebens und der Dienste innerhalb der Kirche befassen. Auf diese Weise wird die kirchliche Entscheidungsfindung von einer größeren Offenheit, von der Fähigkeit, die Realität, in der sie sich befindet, zu analysieren, und von einer Vielzahl von Perspektiven profitieren. Es kann angebracht sein, die Teilnahme von Delegierten anderer Kirchen und christlicher Gemeinschaften vorzusehen.“
Wie erkennt man den Geist und was gibt der Geist vor?
Wenn sich Alternativen im Prozess herausgestellt haben, baucht das Auswählen keine Abstimmung, sondern die Wahrnehmung, ob einer der Vorschläge Richtung mehrt in die Richtung des Geistes lenkt. Da ein Vorschlag nicht zum Appell an andere wird, muss das Gremium auch prüfen, ob dieser mit den vorhandenen Kräften umgesetzt werden kann. Das ist mit “Unterscheidung” gemeint. Die Unterscheidung bezieht sich nicht auf das Projekt, ob es bereits optimal entwickelt ist, sondern ob es einem guten Geist entspricht. Die Lenkung durch den Geist setzt dann Kreativität frei. Denn wenn eine Pfarrei durch Unterscheidung zu dem Ergebnis kommt, etwas für die Kinder im Stadtviertel, im Dorf, in Kindergarten oder Schule zu tun, findet sie selbst die Ideen, mit was sie die Entscheidung umsetzt.
Moderatoren sind unentbehrlich für gelingende Prozesse. Sie achten darauf, dass in der Zuhörphase jeder und jede zu Wort kommt, dass nicht gleich auf eine Entscheidung gedrängt wird. Sie hält den Gesprächsraum offen für das Wahrnehmen der Anregungen d3s Geistes. n auf den Geist Gottes
Weniger Konflikte, Überwindung von Spaltungen
Diese Zeilen sollen auf den 3. Abschnitt des Dokuments aufmerksam machen. Es sind Punkte auf Seiten. Hier finden sich nicht nur Anregungen, sondern das, was synodales Kirchesein braucht. Alle Vorsitzenden können hier lesen, wie die Dynamiken, die gewöhnlich zu Konflikten führen, erst gar nicht in Gang kommen. Denn das synodale Vorgehen ist nicht ein Durchsetzen, sondern eine gemeinsame Suche. Nicht die Suche nach einem Schatz, sondern nach einem Weg, der in die Zukunft der Gruppe, der Institution, der Pfarrei, der Diözese führt. Wenn der Weg sich zeigt, weckt das Kreativität und Freude. Denn der Geist Gottes überlässt den Weg den Gläubigen. Was das konkret, kann das Autofahren in der Zukunft herangezogen werden. Demnächst stellt der Fahrer den Autopiloten ein und kommt ohne weiteres Zutun an. Synodalität ist nicht zuletzt deshalb ein vielversprechendes Zukunftsprojekt, weil die Gläubigen hier selbst “Kirche machen” dürfen. Wallfahrten waren schon immer ein guter Weg, Christ zu werden.
Für die deutsche Kirche mit der ausgebauten Verwaltung fordert das synodale Vorgehen einen tiefgehenden Prozess des Umdenkens, ehe die belebende Dynamik einer synodalen Entscheidungsfindung sich entfalten kann. Die Verwaltung und die Hauptamtlichen wollen die Gläubigen von diesen Aufgaben entlasten, damit diese sich allein der Spiritualität widmen können. Zudem haben die Verwaltungen und die Hauptamtlichen in der Seelsorge viel mehr Zeit für solche Prozesse als die Gläubigen. Zudem verfügt die Verwaltung über das Geld und damit über die Planstellen. Mit der Einbeziehung der Betroffenen, mit dem Hören auf deren Verständnis von gelebtem Glauben in der Gemeinschaft der wird sich zeigen, dass dann belebende Kräfte zum Tragen kommen, die die jetzige Kirchenstruktur wie mit einer Betondecke zudeckt. Wer sich eine nicht mehr depressive und widerwillige Gestimmtheit vorstellen will, findet im 4. Abschnitt, die Erfahrungen, die die Teilnehmer der Synode gemacht haben. Nicht beraten, um es dann versuchen umzusetzen, wie gewöhnlich Planungen in der Kirche mal gelingen und zu oft nicht. Oft bleiben sie stecken, weil das Benzin aufgebraucht ist. Es vielmehr machen, um herauszufinden, wie es geht, dass nicht nur gute Ideen entstehen, sondern den Wind in die Segel zu nehmen, damit das Schiff nicht antriebslos im Meer der Zeit von irgendwelchen Strömungen herumgetrieben wird.
Ein nächster Beitrag greift die seit Jahrzehnten diskutierten Spannungsverhältnis: Einer hat das Sagen: Synodalität soll in der hierarchischen Struktur der Kirche umgesetzt werden. Heißt das notwendig, dass am Ende einer entscheidet, Dieser Systematik bedarf einer besonderen Analyse.
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