Foto: hinsehen.net

Durchhalten heißt Beten

Durchhalten – das bei Facebook, WhatsApp und dem Anklopfen eingegangener Emails. So viele Anstöße, auf die ich noch reagieren soll. Wo bleibt da meine Seele. Sie verkriecht sich ins Raumlose. Sie wartet, dass ich komme und mit ihr in die Weite schaue. Das hieß doch früher Gebet.

Mit meiner Seele bin ich unmittelbar bei mir. Da ich noch keinen Chip in meinem Hirn implantiert habe, kommen die digitalen Impulse nur bis auf den Bildschirm meines Handys. Es braucht dann meine Augen und Ohren, damit ich das Foto in mein Hirn lasse, den Post lese, den gespeicherten Anruf abhöre. Irgendwie ist meine Seele dabei. Ich spüre ja, dass ich es bin, der liest, hört, den Anruf annimmt. Aber das Ich bleibt schwach, es muss 100mal reagieren. Es wird in diese Vernetzung hineingezogen und begegnet auf verschiedenen Kanälen denselben Leuten, nur weil deren Gezwitscher von zu Vielen „weitergeleitet“ werden muss, wenn auch nur, um dagegen sein zu können. Ständig soll ich Stellung beziehen. Meine Seele hat schon längst Nein gesagt. Sie will etwas anderes. Jeden Tag muss ich das durchhalten. Soll ich etwa jeden Tag beten?

Was macht aber meine Seele. Sie sorgt dafür, dass von mir, von meinem Ich etwas übrig bleibt. Wenn ich mich zu meiner Seele flüchte, dann bringe ich alles andere auf Distanz. Steht in allen Meditationsanleitungen. Wenn das so einfach wäre! Kaum habe ich die Tür zu meiner Seele nur einen Spalt geöffnet, flitschen die vielen Impulse mit ins Zimmer, die unbeantwortete Mail, der Rückruf, das, was irgendwo stecken geblieben ist. Ich bekomme die Tür auch nicht mehr zu. Mit mir ist das ganze Zeug ins Seelenzimmer geweht worden. Der ganze Trubel lässt meine Seele noch mehr verstummen.

Irgendwie scheint meine Seele erdrückt zu werden, sie braucht mich, dass ich sie nicht wie eine Mail, sondern wie meine Seele behandle. Meine Seele kann sich mit dem Kleinkram nicht abfinden, sie kann dann nicht atmen. Sie hat schon zu oft erlebt, dass sich das Digitale wie ein Brombeerdickicht über sie legt. Sie braucht den weiten Horizont, wenn ich auf einer Düne über dem Meer stehe oder auf einem Gipfel angekommen bin. Ich muss meiner Seele Ausblick geben. Denn sie will sich versichern, dass sie für Größeres geschaffen ist. So hat es Platon schon beschrieben. Die Seele kommt aus einer anderen Welt, wo sie Größeres gesehen hat. Deshalb fühlt sie sich oft beengt. Ich muss sie Weite atmen lassen. Wenn ich das nicht jeden Tag mache, dann gewinnt das viele kleinteilig zu Erledigende schnell wieder die Oberhand. Durchhalten, um nicht im Klein-Klein verklebt zu bleiben. Seelenpflege, zu Größerem aufblicken, die eigentliche Bestimmung nicht aus dem Auge verlieren, vor allem nicht aus der Liebe herausfallen, das gewinne ich im Gebet.


Kategorie: Digitalisiert

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Zum Seitenanfang